Aus dem Alltag einer Italienerin in Zeiten von Corona

Aus dem Alltag einer Italienerin in Zeiten von Corona
Deutsch-italienische Freundschaft: Das Bild entstand im Mai 2017, als Ilaria und ich uns nach mehrjähriger Twitter-/Facebook-Freundschaft erstmals persönlich gegenübersaßen. Bei einem Eis. In Mailand.

Leere Straßen und Plätze, überarbeitetes Krankenhauspersonal, Italiener*innen, die mit ausreichend Sicherheitsabstand vor den Supermärkten anstehen, oder der Militärkonvoi, der 600 Särge aus Bergamo abtransportiert hat – das sind die Bilder, die ich hier in Deutschland zu sehen bekomme. Doch wie sieht nun das tägliche Leben in Italien tatsächlich aus? Das hat mir Ilaria erzählt.

Aus dem Alltag einer Italienerin in Zeiten von Corona

Wie alle anderen Italiener*innen auch muss Ilaria derzeit mit Mann und den beiden Cocker Spaniel Tommy und Teddy zuhause bleiben. Mittlerweile seit 30 Tagen. Zuhause heißt in ihrem Fall in einem Zweifamilienhaus mit Garten in einer Kleinstadt in der Provinz Mailand. In Lainate (nicht zu verwechseln mit Linate, dem Flughafen) wohnen 25 000 Menschen und glücklicherweise hält sich die Zahl der Corona-Infizierten und -Opfer in Grenzen.

Pflanzen und Hunde als Wohlfühlfaktor

Die Frage, ob sie sich eingesperrt fühlt, verneint sie. Als selbständige Designerin und Beraterin sei sie gewohnt, von zuhause zu arbeiten. Insofern hat sich für sie erstmal arbeitsmäßig nicht so viel geändert. Außer, dass jetzt auch ihr Mann im Homeoffice – smart working, wie in Italien dazu gesagt wird – arbeitet. Die beiden haben eine großzügig geschnittene sehr „grüne“ Wohnung: Viele Pflanzen machen’s gerade in diesen Zeiten für die beiden wesentlich angenehmer in den eigenen vier Wänden zu arbeiten. „Ich muss zugeben, dass die beiden Hunde viel dazu beitragen, dass hier eine ruhige und ungetrübte Stimmung herrscht, trotz der schrecklichen Zeit, die wir durchleben.“

Staatliche Unterstützung

Noch hat sie genügend Aufträgen, „aber ich bin mir sicher, dass der Moment kommen wird, an dem sich die Arbeit reduziert.” Der italienische Staat hat Unterstützung zugesichert. Seit 1. April gibt es für die Freiberufler*innen die Möglichkeit, eine COVID19-Entschädigung beim Staat zu beantragen und zwar einen Bonus in Höhe von 600 Euro. Zunächst für die Monate März und für April. Danach wird man sehen …

Aus dem Alltag einer Italienerin in Zeiten von Corona
Meine italienische Freundin Ilaria

Ihr Tagesablauf hat sich noch nicht groß geändert: Am Vormittag etwas Hometrainer, Frühstück und dann flugs an den Schreibtisch. Das gemeinsame Mittagessen mit dem Gatten ist was Neues, und danach wird bis 18.30 Uhr weitergearbeitet. Ansonsten lenkt sie sich mit dem Durchschauen ihrer Kunst- und Designbücher ab oder liest – aktuell eine Biografie über die von ihr sehr geschätzte Sonia Delaunay. „Einmal musste ich sogar Brot backen und das obwohl ich alles andere als eine erfahrene Köchin bin.“

Ein fast normales Leben

Klingt nach einem fast normalen Leben, wenn da nicht die Angst und die Einschränkungen wären: Angstfrei in einen Supermarkt zu gehen, Museen, Ausstellungen, Bibliotheken und Buchhandlungen besuchen zu können. „Mir fehlen die Abendessen mit Freunden, mir fehlt der Besuch eines Ikea-Ladens oder eines Gartencenters.“ Eben die ganz normalen Dinge, die mir hier auch fehlen.

Große Solidarität

Über ihre Landsleute sagt sie, dass die Meisten verstanden hätten, wie wichtig es sei, zuhause zu bleiben für das Wohl aller. Sie sei unheimlich beeindruckt gewesen von der Solidarität, von den vielen Spendenaufrufen, die organisiert wurden, um den am stärksten betroffenen Krankenhäusern in Mailand oder Bergamo zu helfen.

Ich habe aus dieser schwierigen Zeit gelernt, dass man mit wesentlich weniger leben kann, als wir es bisher gewohnt waren. Ich hoffe, dass diese traurige Zeit bald vorbei sein wird. Auch, wenn nachher nichts mehr so sein wird, wie früher.

Ich wünsche mir auch ein baldiges Ende, liebe Ilaria. Ich möchte nämlich im Juli mit dir eine Ausstellungseröffnung in Mailand besuchen – und wieder mit dir einen Freundschaftseisbecher essen.

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