In Mailand gibt es eine Vielzahl an Museen und Ausstellungshäuser. Allein das Castello Sforzesco beherbergt elf Museen plus zwei Bibliotheken. Zu den bekanntesten Museen zählen sicherlich die Pinacoteca di Brera, der Palazzo Reale, das Museo del Novecento oder auch die GAM – Galleria d’Arte Moderna in der Villa Reale. Über das eine (Villa Reale) oder das andere (Pirelli Hangar Bicocca) habe ich schon berichtet.
Vier stechen aus dieser Sammlung besonders hervor. Die case museo – museale Häuser, so meine Übersetzung. Einstige Wohnungen, Villen oder herrschaftliche Häuser, deren Interieur museal präsentiert wird:
- Casa Museo Boschi Di Stefano
- Villa Necchi Campiglio
- Museo Poldi Pezzoli
- Museo Bagatti Valsecchi
2008 wurden sie als case museo di Milano zusammengefasst, mit dem Ziel Mailands kulturelles und handwerkliches Erbe mittels ehemaliger Mailänderinnen und Mailänder zu fördern.
Jedes ist anders: Singuläre Villa mit Park, Schwimmbad und Tennisplatz. Eine Wohnung. Paläste mit Garten im Zentrum. Die Ausstattungen meist im „Originalzustand“ erhalten. Mit Bad, Ankleidezimmer inkl. Kleidung und Küche. Großzügig geschnittene Räumlichkeiten. Viele Kunstwerke.
Relativ zentral liegen alle. Beginnen wir die Rundtour mit der Wohnung und steigern wir uns bis zum Palast.
Inhaltsverzeichnis
Casa Museo Boschi di Stefano
Das in Quadratmetern kleinste der case museo, das Casa Museo Boschi di Stefano entstand durch die Sammelleidenschaft des Ehepaars Antonio Boschi (1896-1987) und Marieda di Stefano (1901–1968): Ein passionierter Kunstsammler trifft auf eine passionierte Kunstsammlerin. Entstanden ist ein Konvolut an 2000 Kunstwerke des 20. Jahrhunderts: Gemälde, Skulpturen, Keramik, Möbel. Ausgestellt in der gesamten Wohnung – sogar im Badezimmer. Die Wohnung im zweiten Stock eines vom Architekten Piero Portaluppi (1888-1967) entworfenen Gebäudes ist ein Gesamtkunstwerk, in der etwa 300 Kunstwerke gezeigt werden. Nach dem Tod wurde es ein Museum und fürs Publikum zugänglich.
Lage: Via Giorgio Jan, 15
Eintritt: kostenlos
Villa Necchi Campiglio
Ein architektonisches Juwel ist die Villa Necchi Campiglio, ebenfalls vom Architekten Piero Portaluppi entworfen. Helle, großzügig geschnittene Wohn- und Repräsentationsräume im Erdgeschoß. Zum Garten hin ein Wintergarten. Ausgesstattet mir erlesene Möbel, Kunstwerken an der Wand und Keramiken auf den Kommoden und Tischchen. Im Obergeschoss wird es privat: Schlaf-, Ankleide- und Badezimmer. Bei einem Kleiderschrank steht die Tür offen, ein paar Kleider der ehemaligen Besitzerinnen sind zu sehen.
Erbauen ließen die Villa die Schwestern Gigina (1901-2001) und Nedda Necchi (1900-1993) sowie Angelo Campiglio (1891-1984), der Ehemann von Gigina. Nach dem Tod Giginas ging das Haus in den Besitz der FAI – Fondo per l’Ambiente Italiano über und wurde für die Öffentlichkeit zugänglich.
Im Gegensatz zu manch anderem Besitzer der heutigen Case museo waren die Necchi Campiglio unternehmerisch tätig. Die berühmte Nähmaschine Necchi, die früher in keinem italienischen Haushalt fehlte, war eines ihrer Produkte. (Ein Exemplar steht übrigens im Triennale Design Museum) Sie vertraten ein kultiviertes Großindustriebürgertum der Lombardei.
Lage; Via Mozart, 14
Eintritt: 15 Euro
Museo Poldi Pezzoli
Etwas zurückgesetzt in einem Innenhof befindet sich das Museo Poldi Pezzoli. An der Straße, der Via Manzoni, rattert eine Straßenbahn der Linie 1 – eines der alten Modelle mit Holzbänken – vorbei. La Scala und das Luxusmodeviertel sind nicht weit entfernt.
Jedem Museum liegt eine Sammelleidenschaft zu Grunde. In diesem Fall war es diejenige des Gian Giacomo Poldi Pezzoli (1822-1879). Hineingeboren in ein wohlhabendes Umfeld. Der Vater ein reicher Grundbesitzer, die Mutter aus einer der wohlhabendsten und vornehmsten Mailänder Familien stammend – den Trivulzio (über Cristina Trivulzio di Belgiojoso, hatte ich schon geschrieben).
Das Gebäude selbst stammt aus dem 17. Jahrhundert. Ein Vorfahre von Gian Giacomo Poldi Pezzoli hatte es Ende des 18. Jahrhunderts erworben. Er ließ es im neoklassizistischen Stil umbauen. Der Garten im englischen Still mit Statuen und Springbrunnen ist von der Orangerie aus zu sehen.
Mitte des 19. Jahrhunderts beauftragte Gian Giacomo Poldi Pezzoli den Architekten Giuseppe Balzaretto (1801-1874) mit einem weiteren Umbau und mit der Renovierung seiner Wohnung.
Rund 3000 Objekte hat der Herzog zusammengetragen: Schmuck, Gemälde, Keramik, Skulpturen, Uhren, Bücher, Tapisserien. Und – gleich im ersten Raum eine große Sammlung von Rüstungen und Waffen. Dekorativ steht an der Treppe zum Obergeschoss ein Springbrunnen mit Goldfischen.
Im Zweiten Weltkrieg wurde das Gebäude stark beschädigt. Insofern ist von der einstigen Innenausstattung nur noch wenig zu sehen. Das Studiolo Dantesco – Gian Giacomo Poldi Pezzolis kleines private Atelier – ist das einzige erhaltene Beispiel für die bemalten Dekoration des Hauses. Es ist inspiriert von dem großen italienischen Poeten und Schriftsteller Dante Alighieri (1265-1321) und dem Mittelalter. Eine kleiner Raum mit einer Nische mit Fresken und bunten Glasfenstern. Hier bewahrte der Hausbesitzer die wertvollsten Werke seiner Kunstsammlung auf.
Lage: Via Manzoni, 12
Eintritt: 14 Euro
Museo Bagatti Valsecchi
Nur ein paar Schritte weiter – und nun – mitten im Luxusmodeviertel haben sich die beiden Brüder, die Barone Fausto (1843–1914) und Giuseppe (1865–1934) Bagatti Valsecchi mit dem gleichnamigen Museo Bagatti Valsecchi ihren Traum erfüllt. Beide waren wohlhabend genug, um nicht arbeiten zu müssen und sich stattdessen ihrer Sammelleidenschaft hinzugeben. Sie beschlossen das Familienhaus im Herzen Mailands im Stil der Neorenaissance zu renovieren.
Die äußere Hülle 19. Jahrhundert. Im Inneren wirst du 500 Jahre zurückgebeamt. Viele Kunstwerke stammen aus dem 14. bis 16. Jahrhundert. Holzschnitzereien, Möbel, Waffen und Rüstungen, Keramik, Glaswaren, Tapeten, Kunstobjekte aus Gold und Elfenbein. Und natürlich hängen an den Wänden Gemälde von Vertretern der norditalienischen Renaissance: Giovanni Bellini, Gentile Bellini und Giampietrino um nur einige zu nennen.
Eine antike Sammlung gepaart mit den aufkommenden Annehmlichkeiten der Zeit wie Heizung, fließendes Wasser oder elektrisches Licht.
Lage: Via Gesù, 5
Eintritt: 12 Euro (ab 10. Mai aufgrund der Ausstellung „Lo Sguardo del Sentire“ 15 Euro)
Allen vier case museo ist gemein, dass sie aus einer Leidenschaft für Kunstwerke ihrer Bewohnerinnen und Bewohner entstanden. In allen Sammlungen entdeckst du hochkarätige berühmte Maler der Zeit: Sandro Botticelli, Giovanni Bellini, Giorgio De Chirico, Marino Marini, Amedeo Modigliani, Lucio Fontana, René Magritte. Für mich waren es allerdings nicht die berühmten Maler, die einen Besuch so besonders machen. Vielmehr hat mich das Gesamtkunstwerk begeistert. Ich möchte fast sagen, dass sich die einzelne Gemälde ins Gesamtoeuvre ein- oder gar unterordnen.
Eintauchen in Mailands Vergangenheit
Der Besuch dieser vier Häuser ist ein Eintauchen in die Vergangenheit Mailänder Familien. Jedes für sich einzigartig. So einzigartig wie die Bewohnerinnen und Bewohner. Am modernsten wohl die Villa Necchi Campiglio – auch Ort für Filmaufnahmen.
Btw. Wenn du Italienisch verstehst, empfehle ich dir den Podcast „Le Meraviglie“. In einer Folge geht es um das Casa Museo Boschi di Stefano.
Mit „La Card“ kannst du alle vier Museen zum Preis für 25 Euro besichtigen (statt 40 Euro). Die Karte kannst du auf der Seite casemuseo erwerben. Sie ist ein Jahr gültig. Ich halte es für sehr ambitioniert mehr als zwei dieser Häuser an einem Tag zu besichtigen. Wenn überhaupt würde ich nur das Casa Museo Boschi di Stefano und die Villa Necchi Campiglio an einem Tag besuchen. Ich habe alle vier Häuser in langen Abständen besucht. Wird Zeit für einen erneuten Besuch, vor allem der des Museo Bagatti Valsecchi. Da die beiden Paläste so umfangreich und historisch intensiv sind, würde ich nur eines pro Tag ansehen. Oder mit einer längeren Pause dazwischen.
Kennst du eines der Häuser? Wie haben sie dir gefallen?
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