21 März: Für Viele steht dieser Tag für den Frühlingsanfang. Der 21. März ist aber auch der „Tag des Gedenkens und des Engagements für die unschuldigen Opfer der Mafia“. Ein weltweiter, jährlicher Gedenktag. Im März 2017 wurde er vom italienischen Staat als „Nationaler Tag des Gedenkens und des Engagements für die Opfer der Mafia“ anerkannt. Heuer wurde er zum 29. Mal begangen.
Noch ein Gedenktag? Ja! Die Idee eines Gedenktages für die unschuldigen Opfer der Mafia entstand Mitte der 1990er Jahre. Am Ende einer Zeit großer politischer Umwälzungen und außergewöhnlicher krimineller Gewalt in Italien. Es war die Zeit der Antikorruptionsermittlungen, des Maxiprozesses gegen die Cosa Nostra in Palermo (1986-92) und der daraus resultierenden Gegenoffensive der Mafia. Massaker (strage) und Attentate:
- Strage di Capaci
- Strage di via D’Amelio in Palermo
- Strage di via dei Georgoffili in Florenz
- Strage di via Palestro Mailand
- Attentate an mehreren Kirchen in Rom
Inhaltsverzeichnis
Netzwerk von Vereinen
Auf diese Massaker der Mafia reagierte die italienische Zivilbevölkerung mit einer entschlossenen und leidenschaftlichen Opposition. Vor allem die Vorfälle in Sizilien führten zwischen Sommer 1994 und Frühjahr 1995 zur Entstehung eines nationalen Netzwerks von Vereinen, das den Namen „Libera. Associazioni, nomi e numeri contro le mafie“ (Libera. Verbände, Namen und Zahlen gegen die Mafia) erhielt. Eine ihrer ersten Handlungen: für den 21. März 1996 einen Tag des Gedenkens und des Engagements für die unschuldigen Opfer der Mafia zu konzipieren und auszurufen.
Seither treffen sich an diesem Tag hunderte Angehörige von Mafiaopfer vielerorts in Italien, Europa und Lateinamerika. Gemeinsam gedenken sie der Toten und wollen ein Zeichen gegen die Mafia setzen.
Ich nehme diesen Tag zum Anlass, um auf einige Bücher, Filme, Podcasts, Radiosendungen hinzuweisen, die sich mit der Mafia beschäftigen.
Ich habe den Eindruck, in Deutschland besteht immer noch ein etwas zu verklärtes Bild von der Mafia (Der Pate lässt grüßen). Gleichzeitig scheint für viele die Mafia ein rein italienisches Problem zu sein. Doch auch diesseits des Brenners ist sie sehr präsent.
Die Mafia ist seit 50 Jahren heimisch in Deutschland, […]. Solange wir mit deutschen Gesetzen dafür sorgen, dass Mafiosi hier problemlos ihr Geld waschen und anlegen können, ist die Mafia in Deutschland gern gesehen.,
so die Schriftstellerin und Journalistin Petra Reski im Interview mit mir.
Initiativen, Filme, Podcasts, Bücher – meine Empfehlungen
Initiative „mafianeindanke“
In dem eingetragenen gemeinnützigen Verein mafianeindanke engagieren sich ehrenamtliche Aktivistinnen und Aktivisten, unterstützt von Freiwilligen. Ihr Ziel: Sich gegen die Penetration der organisierten Kriminalität in Wirtschaft und Gesellschaft stark zu machen. Sich für eine offene, demokratische Gesellschaft mit fairen Chancen für alle einzusetzen:
- Antimafia-Bewegung in Europa fördern und stärken
- Eine europaweite Harmonisierung der Gesetze für einen verbesserten Kampf gegen die Organisierte Kriminalität
- Sensibilisieren für die Gefahren durch die Präsenz (italienischer) Mafiagruppen in Deutschland
- Beratung für alle interessierten Stellen anbieten
- Die Erinnerung an die Opfer der Mafiaverbrechen wach und lebendig halten
Filme
Il Traditore
Der Regisseur Marco Bellocchio erzählt die Geschichte nach wahren Begebenheiten und endet mit dem Maxiprozess Ende der 1980er Jahre. Als Vorlage diente dem Regisseur das Schicksal des „reumütigen“ Cosa-Nostra-Bosses Tommaso Buscetta, dessen Enthüllungen 1986 zu den Maxiprozessen führten, welche die Verurteilung von Hunderten von Verbrechern zur Folge hatten. Giovanni Falcone war der Richter, der Buscetta zum Reden brachte. (Zu meiner Besprechung des Films)
Aktuell gibt es kein deutsches Streamingangebot. Solltest du Italienisch verstehen, kannst du ihn dir bei raiplay.it ansehen.
Gangsterjagd – Polizei im Kampf gegen die Mafia
Deutschland ist Mafialand – daran hat sich nichts geändert. Doch die Polizei ist aufmerksamer geworden. Gerade die kalabrische Mafia, die `Ndrangheta ist in den Focus der Sicherheitsbehörden geraten. Auffällig ist die Häufung großer Polizeioperationen gegen die Clans aus Süditalien in den letzten Jahren. Nur offensichtlich führen sie nicht dazu, die Mafia zu besiegen. Dennoch sind sie ein wichtiger Schritt.
ARD- Mediathek: Gangsterjagd – Polizei im Kampf gegen die Mafia (bis 13. Dezember 2024)
Corleone. Pate der Paten
Salvatore „Totò“ Riina, Sohn eines Bauern aus Corleone, wird mit 52 Jahren zum unumschränkten Herrscher der sizilianischen Mafia. Ihm gegenüber Richter Giovanni Falcone, der den ersten Prozess gegen die sizilianische Mafia initiiert und „Riina“ zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt hat.
Der „Bestie“ genannte Salvatore „Totò“ Riina (1930-2017) galt fast 20 Jahre lang als einer der brutalsten und gefürchtetsten Paten der sizilianischen Mafia. Mosco Levi Boucault befasst sich in dem zweiteilige Dokumentarfilm mit der Verbrecherkarriere des Mafia-Bosses. Er hat im Laufe seines Lebens selbst rund 40 Menschen ermordet und bis zu 4000 umbringen lassen, darunter auch zwei Söhne des oben erwähnten Buscetta.
Arte: Teil 1 Macht durch Blut (bis 20. November 2024)
Arte: Teil 2 Der Fall (bis 20. November 2024)
Cosa Nostra in Deutschland – Die brutale Macht der Mafia
Die Cosa Nostra zieht es seit den 1970er-Jahren gezielt nach Deutschland. Zwischen Sizilien und Mannheim verläuft noch heute die berüchtigte „Pista della morte“, die Route des Todes.
ZDFinfo: Cosa Nostra in Deutschland – Die brutale Macht der Mafia (bis 10. März 2026)
Comeback der Mafia – Alte Clans, neue Methoden
Die Cosa Nostra agiert im Verborgenen, doch seit Jahren wehren sich die Bürger Siziliens gegen die Clans. Durch die Pandemie stürzt Italien in eine tiefe Krise. Droht ein Comeback der Mafia?
ZDFinfo: Comeback der Mafia – Alte Clans, neue Methoden (bis 10. Mörz 2026)
Die italienische Mafia in Deutschland – gut getarnt und unterschätzt
Nicht nur in Italien, auch in Deutschland ist die Mafia allgegenwärtig. Mafiöse Handelsfirmen vertreiben gefälschte Waren, über den Hamburger Hafen laufen die Kokaingeschäfte der Paten und auf dem Bau verdienen `Ndrangheta, Cosa Nostra und Co. viele Millionen Euro mit Schwarzarbeit. Zu befürchten haben die Kriminellen wenig. Die deutschen Gesetze sind nicht auf kriminelle Organisationen wie die Mafia ausgerichtet: die Mitgliedschaft in der Mafia ist in Deutschland de facto nicht strafbar. Außerdem haben sich die gut getarnten Mafiosi mit ihrem schmutzigen Geld längst in die legale Wirtschaft eingekauft.
ARD-Mediathek: Die italienische Mafia in Deutschland – gut getarnt und unterschätzt (bis 28. Januar 2027)
Podcasts
Die Geschichte der italienischen Mafia – Camorra, ‘Ndrangheta und Cosa Nostra
Die Geschichte des Aufstiegs der süditalienischen Mafia ist gleichermaßen eindrucksvoll wie brutal. Entstanden als regional tätige Vereinigungen im 19. Jahrhundert bauten Cosa Nostra, ‘Ndrangheta und Co. durch Gewaltverbrechen ihre Macht aus und machen heute weltweit Milliardenumsätze.
Aus der Reihe Radiowissen des BR: Die Geschichte der italienischen Mafia – Camorra, ‘Ndrangheta und Cosa Nostra
Gangsterjagd – Polizei im Kampf gegen die Mafia
Ein Podcast zum oben genannten gleichnamigen Film, den Axel Hemmerling gemeinsam mit Margherita Bettoni und Ludwig Kendzia gemacht hat. Im Podcast gibt es einen Blick hinter die Kulissen. Moderiert wird die Folge von Secilia Kloppmann.
ARD-Audiothek: Gangsterjagd – Polizei im Kampf gegen die Mafia
Mafia Land – der True-Crime-Podcast
In acht Folgen erzählen Birgit Tanner und Helena Piontek die Geschichte eines Mannes, der als charmant und geistreich gilt. Nach außen führte er das arbeitsreiche Leben eines italienischen Gastronomen. Die Ermittler*innen halten ihn aber für den deutschen Arm der ‘Ndrangheta. Die Geschichte von Mario L. steht exemplarisch für die mutmaßliche Infiltrierung der deutschen Politik und Wirtschaft durch die größte italienische Mafiaorganisation. Die Autorinnen begeben sich auf Spurensuche in Italien, sprechen mit Mitarbeiter*innen und Stammgästen, Rechtsanwält*innen, Kriminaler*innen, der Mafiakennerin Petra Reskis.
SWR: Mafia Land – der True-Crime-Podcast
Bücher
Falcone
Du merkst es schon: An dem Namen „Falcone“ führt kein Weg vorbei, wenn man sich mit der Mafia in den 80er und 90er Jahren befasst. In seinem neuesten Buch erzählt Roberto Saviano – der selbst unter Polizeischutz steht – das Leben des größten Mafiajägers der italienischen Geschichte. Nicht nur in seiner Rolle als Richter, sondern auch als Ehemann, als Bruder, als Freund. Mit seinem Geldwäschegesetz forderte Falcone die Mafia heraus. Als er (nach Abschluss des Maxiprozess’) am 25. Mai 1992 mit seiner Frau unterwegs zum Wochenendhaus ist, sprengt die Mafia sie mitsamt einem Stück Autobahn in die Luft. Es ist ein Wendepunkt in der Geschichte Italiens und Europas. Saviano schildert anhand von Falcones Geschichte wie demokratische Strukturen ausgehöhlt werden und wie durch Zivilcourage die Welt verändert werden kann.
Roberto Saviano, Falcone, übersetzt von Friederike Hausmann, Rita Seuß, dtv-Verlag*
Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra
In seinem ersten Buch befasst sich Roberto Saviano mit der seiner Heimatstadt Neapel agierenden Camorra. Gomorrha ist eine Mischform zwischen Roman und journalistischer Reportage und beschreibt detailliert die Praktiken des organisierten Verbrechens und dessen Vernetzung mit legalen Wirtschaftsstrukturen und mit der Politik. Für seine Recherchen hat er jahrelang verdeckt gearbeitet, unter anderem als Hafenarbeiter.
Die neapolitanische Camorra mischt im internationalen Drogenhandel mit. Sie verschiebt riesige Mengen Giftmülls in Italien, macht gewaltige Geschäfte mit der Herstellung billiger wie hochwertiger Textilien, hat praktisch das Monopol auf den Handel mit Zement und Geschäftsbeziehungen, die bis nach Deutschland, Schottland oder China reichen. Auf ihr Konto gehen jedes Jahr Hunderte von Toten. Der Journalist Roberto Saviano hat unter Einsatz seines Lebens vor Ort recherchiert, Beweise geliefert und ein brillantes Buch geschrieben, das dem Leser den Atem nimmt. Die Macht der Camorra wie anderer Verbrecherorganisationen stützt sich auf Schweigen. Saviano hat diesem Schweigen die Macht des Wortes entgegengestellt. Damit hat er sich auch tödlicher Gefahr ausgesetzt. Seitdem lebt er an geheimen Orten und begibt sich nur unter dem Schutz von Bodyguards in die Öffentlichkeit.
Roberto Saviano, Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra, übersetzt von Annette Kopetzki, Carl-Hanser-Verlag*
Sie packen aus – Frauen im Kampf gegen die Mafia
Über viele Jahrzehnte war die Bekämpfung des organisierten Verbrechens in Italien von Männern dominiert. Doch seit den 1970ern hat eine neue Generation von Frauen begonnen, gegen die Mafia Widerstand zu leisten. Mathilde Schwabeneder porträtiert Frauen, die sich gegen die Mafia stellen.
Piera Aiello, Augenzeugin bei der Ermordung ihres Mannes, vertraute ihr Wissen den Staatsanwälten an und engagiert sich bis heute als Parlamentarierin für einen besseren Schutz der Kronzeugen. Fotografin Letizia Battaglia dokumentiert als Chronistin der Mafia ihre Taten, wie etwa die Ermordung des Bruders des heutigen Staatspräsidenten Sergio Mattarella. Die mehrfach durch die kalabrische Mafia bedrohte Journalistin Allessia Candito deckt die Verbindungen zwischen Kirche und Mafia auf. Laura Garavini setzt mit ihrer Gründung einer Anti-Mafia-Bewegung in Deutschland den Kampf gegen die Mafia auch im deutschsprachigen Raum fort.
Mathilde Schwabeneder, Sie packen aus – Frauen im Kampf gegen die Mafia, Molden Verlag*
Mafia. 100 Seiten
Autobomben, erdrosselte Kinder, tödliche Ehrenkodizes, Wirtschaftskriminalität. Demgegenüber oft korrumpierte oder hilflose Staatsdiener, die entweder selbst Teil des Systems sind oder mit dem Leben bezahlen. Petra Reski bündelt in diesem Band noch einmal ihr Wissen und beantwortet in Diskussionen häufig gestellte Fragen. Am Ende macht sie vor allem eins deutlich: Die Mafia ist nicht allein ein italienisches Phänomen und keineswegs so weit weg, wie wir glauben.
Petra Reski, Mafia. 100 Seiten, Verlag Reclam Philipp Jun.*
Mafia: Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern
Die italienische Mafia ist längst in Deutschland angekommen. Weltweit perfekt organisiert, ist sie eine Gefahr für Staat und Gesellschaft, die von deutschen Politikern und Sicherheitskräften allzu lange unterschätzt wurde. Petra Reski enthüllt in ihrer Spurensuche in Sachen „ehrenwerte Gesellschaft“ Verblüffendes über ein ganz und gar nicht rein italienisches Phänomen.
Petra Reski, Mafia – Von Paten, Pizzerien und falschen Priestern (E-book), Droemer Knauer*
Agromafia
Tomaten sind das neue Kokain oder wie ‘Ndrangheta & Co. die italienische Lebensmittelproduktion beherrschen – und was auf unsere Teller kommt. Oliver Meier geht auf Spurensuche: Er zeichnet die Wege von Olivenöl, Mozzarella und Co. bis zu uns nach und deckt die mafiösen Strukturen dahinter auf. Dafür hat er mit Richtern der nationalen Anti-Mafia-Behörde, von der Mafia bedrohten Journalisten und Herstellern vor Ort gesprochen. Eine Reise durch die Essenslandschaften Italiens.
Oliver Meiler, Agromafia, dtv-Verlagsgesellschaft*
Canzone – Das Lied zum Beitrag
Als Musik habe ich „La melodia sospesa“ von Nicola Piovani ausgewählt. Es ist ein Song aus dem Film „Il traditore“.
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Ich hoffe, dir, liebe Leserin, lieber Leser hat der Artikel gefallen. Hast du noch weitere Tipps, die ich hier aufnehmen sollte? Nenn sie mir gerne in den Kommentaren. Ebenso freue ich mich über deine Meinung in den Kommentaren.
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