Wie entsteht gutes italienisches Olivenöl?

Ein Besuch bei Olio Peddio in Cuglieri auf Sardinien

Aufgespannte grüne Netze zwischen und unter Olivenbäumen.
Vorbereitungen zur Olivenernte in Süditalien

[versione italiana]

Wenn du derzeit in Italien unterwegs bist, siehst du möglicherweise die aufgehängten Netze unter den Olivenbäumen. Je nach Region ist derzeit Olivenernte. Bereits seit dem siebten Jahrhundert v. Chr. wird auf Sardinien Olivenöl produziert. Herstellungsprozess und vor allem der Geschmack haben sich seither merklich verändert.

Als ich im September auf Sardinien war, war es leider noch zu früh, um bei einer Olivenernte und -verarbeitung dabei zu sein. Dafür habe ich eine Einzelführung in der Ölmühle von Olio Peddio bekommen und die Gerätschaften im „Trockenzustand“ gesehen. Meine Vorstellungskraft, wie das denn wohl alles so funktioniert und abläuft, war also gefordert.

Olivenbaum der azienda oleario Peddio

Die azienda olearia Peddio, so der korrekte Namen, befindet sich in Cuglieri an der Westküste am Monte Ferru (Eisenberg) und damit in meinem „Einzugsgebiet”. Von Bosa aus führt eine kurvige Straße hoch in den 2500-Seelen-Ort. Wie üblich lass ich mich fahren – ich nutze den öffentlichen Bus –, wir passieren andere Ortschaften, die ich schon kenne – etwa Flussio oder Tinnura –, fahren vorbei an Olivenhainen, die noch Spuren der Brände vom vergangenen Jahr zeigen und immer wieder habe ich herrlichen Aussichten auf die Landschaft. Außer einer Kirche und der Ölmanufaktur gibt es in Cuglieri nichts Spektakuläres zu sehen. Das Öl habe ich mir bereits von vergangenen Urlauben mitgebracht, dieses Jahr steht nun endlich der Besuch der Ölmühle an.

Im Zentrum von Cuglieri: das Geschäft von Olio Peddio

In Cuglieri angekommen laufe ich vom Zentrum, wo sich das Geschäft von Olio Peddio befindet, eine Seitenstraße hinab zur Ölmühle. Ich bin überrascht, dass sich die Ölmühle in einer Art „Industriegebiet“ befindet. Irgendwie hatte ich mir den Standort einer Ölmühle ländlicher vorgestellt. Sei’s drum.

Ölmühle der azienda olearia Peddio

Als ich den Hof betrete sehe ich die säuberlich gestapelten großen Plastikkisten für die Olivenernte. Während ich mich noch etwas unschlüssig umschaue, kommt auch schon ein Mann um die Ecke, der sich als Giovanni vorstellt und mir in den kommenden zwei Stunden wahnsinnig viel über die Herstellung eines guten Olivenöls – eines olio extravergine d’oliva (evo) – erzählen wird.

Auf Sardinien beginnt die Olivenernte erst im Oktober. Deshalb sehe ich die Gerätschaften noch zerlegt. Sie warten nur darauf in Betrieb genommen zu werden. Und schon sind wir mittendrin im Herstellungsprozess und Giovanni erklärt mir, wie die Olivenölproduktion funktioniert. Was sich im ersten Moment einfach anhört, ist dann doch etwas komplizierter …

Ja, es braucht in erster Linie gute Oliven. Um sie zu erhalten, bedarf es allerdings auch einer guten „liebevollen“ Pflege. Das heißt die Olivenbäume sollten rund um den Stamm frei von Gräsern sein, mögliche Parasiten müssen entfernt werden bzw. sollten erst gar nicht da sein und dann muss natürlich der Reifegrad für die Ernte überwacht werden. Vom richtigen Reifegrad bis zur Ernte geht es nämlich schnell.

Wie wird nun ein gutes natives Olivenöl hergestellt?

Herstellungsphasen

    • 1. Olivenernte. Bis in die 1980er Jahre wurde gewartet, bis die reifen Oliven auf den Boden gefallen sind, um sie dann zu ernten. Heutzutage werden Netz ausgebreitet und eine Maschine schüttelt den Baum, bis die Oliven im Netz liegen.
    •  2. In der Ölmühle werden die Oliven zunächst von Blättern und Zweigen befreit.
    • 3. Es folgt das Waschen der Oliven.
    • 4. Die Oliven werden gemahlen.
    • 5. Im Anschluss werden sie geknetet.
    • 6. Das feste Fruchtfleisch wird von der Flüssigkeit getrennt, es entsteht eine Wasser-Öl-Mischung.
    • 7. Dem Öl wird das Wasser entzogen, fertig ist das Olivenöl.
    • 8. Bevor das Olivenöl in den Verkauf gelangt, muss es noch von unabhängiger Stelle analysiert werden. Diese Wartezeit verbringt das Öl in großen Stahltanks.
    • 9. Nach der Analyse wird das Öl in Kanister oder Flaschen für den Verkauf abgefüllt.
    • 10. Verkaufsfertig ist das extra native Olivenöl – die höchste Güteklasse bei italienischen Olivenölen.

Was bedeutet extra vergine?

Die Güteklasse extra vergine (nativ bzw. naturbelassen) bedeutet, dass das Öl ausschließlich durch mechanische Verfahren hergestellt wurde.

Oliven mögen während der Verarbeitung insbesondere während des Mahlvorgangs weder Hitze, Luft noch Licht

erklärt mir Giovanni. Die Oliven bei Peddio werden deshalb bei einer Temperatur von etwa 27 Grad verarbeitet, also einer sogenannte „Kaltverarbeitung“, ohne direktes Licht und Luft, um die Oxidation zu vermeiden.

Olivensorten: Bosana und Semidana

Giovanni erklärt mir auch, dass der Geschmack des Öls nicht nur von der Olivensorte, sondern auch vom Zeitpunkt der Ernte abhängt. Grünere Oliven sind im Allgemeinen bitterer.

Peddio verwendet hauptsächlich die Olivensorten olive Bosana und olive Semidana. Die Bosana-Oliven sind kleiner und reich an Polyphenolen, die Semidana-Oliven hingegen sind eiförmig und während des Reifungsprozesse amaranthfarben mit weißen Flecken. Sie sind mittelklein und ergeben ein fruchtiges, leicht bitteres und würziges Öl. Das kann ich auch bestätigen. 😉

Familienbetrieb seit 70 Jahren

Die azienda oleario Peddio der Familie Cocco ist ein mittelständischer Betrieb, der seit 1950 Olivenöl herstellt. Während meines Besuchs habe ich auch Laura Cocco kennengelernt. Sie repräsentiert bereits die vierte Generation. Leicht wird es für sie nicht in den kommenden Jahren. Vielleicht hast du mitbekommen, dass 2021 auf Sardinien große Bände wüteten. Einer auch bei Cuglieri.

Das Feuer breitete sich bis kurz vor der Ölmühle aus. Es zerstörte die Hälfte (!) der eigenen Olivenbäume (5000 Bäume) sowie unzählige der gepachteten. Vor dem Feuer bewirtschaftete der Betrieb eine Fläche mit rund 20000 Olivenbäumen. Ein Olivenbaum braucht mindestens zehn Jahre (!), um ihn produktiv ernten zu können. Der Schaden ist also enorm.

Die Vorstellung, dass von jetzt auf gleich ein Großteil deiner Existenz hinweggerafft wird und das Feuer direkt vorm Haus ist, finde schrecklich. (Bei Instagram gibt’s Fotos vom Feuer.)

Ich wünsche Laura und ihrem Team ein gutes Händchen beim Wiederaufbau!

Danke Laura fürs Besuchen-dürfen und danke Giovanni, dass du mir geduldig erklärt hast, wie man ein gutes (Bio-)Olivenöl extra vergine (evo) herstellt. Ich habe viel gelernt.

***

Liebe Leserinnen lieber Leser, ich hoffe, dass ich dich mit meiner Begeisterung für gutes italienisches (Bio-)Olivenöl anstecken konnte und du nun etwas schlauer geworden bist. Wenn dir der Blogpost gefallen hat, du Fragen oder Ergänzungen hast, dann hinterlasse mir gerne hier unten einen Kommentar.
 
Noch gibt es das Olivenöl leider nicht in Deutschland zu kaufen. Um es zu probieren, musst du nach Sardinien reisen. Rund um Bosa findest du es in Restaurants auf dem Tisch und in verschieden Geschäften zu kaufen. Ein Besuch im Laden in Cuglieri lohnt sich, weil es außer den verschiedenen Ölen auch noch Kosmetik auf Basis von Oliven sowie eingelegte Leckereien gibt.

Werbung unbezahlt. Die Produkte habe ich zum regulären Preis gekauft und selbst bezahlt.

Leser-Interaktionen

Kommentare

  1. Pia Stanke meint

    schön was von der Ölmühle zu lesen. wir kommen seit Jahren nach Cuglieri um für uns und viele Freunde das gute Olivenöl zu kaufen. das ist ein sehr gutes reines Öl. mein nächstes Ziel ist es im November mal den laufenden Betrieb zu erleben.

    • Ulrike meint

      Liebe Pia,
      freut mich, zu hören. Ich fand‘s auch schade, dass ich zu früh dort war und die Herstellung nicht mitbekommen habe. Leider bin ich nie im November auf Sardinien.
      Ich wünsche viel interessante und inspirierende Eindrücke.

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