Drehort Sardinien: Interview mit Kostümbildnerin Carola Raum

Landschaft in Sardinien mit leicht begrünten Hügel und trockenen Wiesen

Im Rahmen einer beruflichen Veranstaltung habe ich im vergangenen Jahr die Kostümbildnerin Carola Raum kennengelernt. Bei dem Wort „Kostüm“ werde ich sofort hellhörig – im positiven Sinne. Zwar arbeite ich längst nicht mehr in meinem erlernten Beruf als Damenschneiderin, doch das Interesse für das Handwerk und das Textile ist geblieben. Als Carola mir dann noch erzählte, dass sie 2014 fürs ZDF den auf Sardinien gedrehten Film „Zwei Esel auf Sardinien“, ausgestattet hat, war klar: Ich will mehr über den Beruf der Kostümbildnerin erfahren. Was macht eine Kostümbildnerin? Wie sieht der Werdegang aus? Wer redet bei der Kostümauswahl mit? Woher bekommt sie die Kostüme? Und vor allem, wie ist es, auf Sardinien zu drehen?

In einem langen Videotelefonat habe ich mich mit ihr über ihren Beruf unterhalten.

Porträtbild der Kostümbildnerin Carola Raum
Kostümbildnerin Carola Raum

Wie sah deine Ausbildung zur Kostümbildnerin aus?

Meine Ausbildung ist schon ein Weilchen her. 1986 machte ich Abitur und dann eine Lehre zur Industrieschneiderin, an die sich eine dreijährige Gesellenzeit anschloss. Danach besuchte ich die Deutsche Meisterschule für Mode in München, wo ich meinen Abschluss als Schneider- und Gewandmeisterin erhielt.

Während des letzten Semesters bekam ich die Gelegenheit, als Assistentin in der Kostüm-Anfertigung für einen historischen Film mitzuarbeiten. Mir war sofort klar: Das ist mein Ding, das will ich machen! (strahlt dabei übers ganze Gesicht)

Es folgten mehrere Jahre als Assistentin, bis ich schließlich um die Jahrtausendwende anfing, selbst Kostüme zu entwerfen. Den Schritt zum Kostümbild machte ich „on the Job“, denn so viele zielgenaue Ausbildungen im Kostümbild, wie es sie heute gibt, gab es damals noch nicht. Acht Jahre hat meine Ausbildung in Industrie und Handwerk gedauert. In dieser Form gibt es das heute, mangels Nachfrage, nur noch selten.

Gibt es eine Trennung zwischen Film und Theater?

Eine Trennung würde ich das nicht nennen. Mein persönlicher Fokus liegt auf dem Film. Während meiner Zeit an der Meisterschule konnte ich auch Erfahrung am Theater sammeln, habe aber festgestellt, dass die Filmwelt meins ist, obwohl ich sehr gerne ins Theater gehe. Natürlich gibt es auch einige Kolleginnen und Kollegen, die beides machen.

In der Filmbranche bist du Freie, mittlerweile renommiert und bekannt. Dennoch: Wie kommst du an Aufträge?

Die Frage, wie man Aufträge bekommt, die einen erfüllen und die man gerne macht, bleibt auch nach all den Jahren erhalten. Daran ändert die Berufserfahrung oder der Bekanntheitsgrad nichts. Für nahezu jedes Projekt wächst ein neues Team zusammen, sodass es immer wieder ein neues Kennenlernen, ein neues Ausprobieren ist.

Es gibt natürlich die schönen Gelegenheiten, mit manchen Menschen immer wieder zusammenzuarbeiten. Abgesehen von meinem Kostümteam sind das Regie, Produzenten oder Firmen. Wir kennen uns  und unsere Arbeitsweisen. Das ist toll und wünschenswert. Manchmal klappt dann aber trotzdem die Zusammenarbeit aus Zeitgründen nicht.

Woher die Aufträge kommen, ist eine Mischung: Da gibt es Weiterempfehlungen von Regisseurinnen und Regisseuren oder Produktionen, mit denen ich gearbeitet habe. Menschen, die von mir ausgestattete Filme gesehen haben und die sagen: Das ist genauso, wie wir es uns vorgestellt haben. Und dann spielt es auch eine nicht ganz unerhebliche Rolle, wo man lebt und arbeitet.

Man kann sich natürlich auch um ein Projekt bewerben. Bei mir hat das bisher nie wirklich geklappt. Ich kenne allerdings einige Kolleginnen und Kollegen, die damit durchaus erfolgreich waren. Bei mir funktionieren Weiterempfehlungen und Anfragen sehr gut, weil ich mittlerweile in einem bestimmten Bereich bekannt bin.

Wie viele Projekte machst du so im Jahr?

Üblicherweise sind es zwei bis drei, maximal vier Projekte. Jedes Projekt ist von unterschiedlicher Dauer. Handelt es sich um Primetime 90-Minüter, sind vier bis fünf Projekte schon sehr viel. Es gab bei mir tatsächlich auch schon Jahre, in denen ich fünf Fernsehspiele gemacht habe – aus meiner Sicht eigentlich zu viel.

Machst du auch Projekte parallel?

Ich arbeite nicht gerne parallel, sondern fokussiere mich lieber auf ein Projekt. Mir ist das zweimal ungeplant passiert, weil sich zwei Projekte zeitlich verschoben haben. Die Arbeitslast ist bei einem Projekt mehr als ausreichend! Ich persönlich halte nichts davon, wenn die Abteilung die Arbeit des einen Projektes auffangen muss, weil die Kostümbildnerin parallel mit einem anderen Projekt beschäftigt ist. Da gibt es viele andere tolle Kolleginnen und Kollegen, die diesen Auftrag gerne übernehmen.

Wann kommst du bei einer Produktion ins Spiel?

Ins Spiel komme ich schon relativ früh. Sobald Produktion und Regie wissen, dass sie zusammenarbeiten und die Departments zusammengestellt werden. (Anm. d. Red. Jede Filmcrew setzt sich aus verschiedenen Abteilungen (Departments) zusammen; Kostümbild ist eine davon) Ich suche dann so früh wie möglich den Kontakt zu Regie, Kamera und zum Szenenbild. Da geht es zunächst um das Gesamtkonzept, und es gilt auszutarieren, ob es schon konkretere Vorstellungen gibt, oder ob man zusammen ein Konzept entwickelt. Das fängt bei den Lebenswelten der Personen an, die wir ins Bild setzen. Das sind ja nie die privaten Menschen. Sie haben im Film ein anderes Aussehen, eine andere Kleidung, sie wohnen anders. Dieser erste Austausch ist für mich existentiell wichtig.

Gibt es eine Person, welche die „Oberhand“ hat?

In meiner Wahrnehmung arbeitet man am besten auf Augenhöhe und in einem gemeinsamen Prozess … aber es gibt keine fixe Regel, und die Situation ist nie gleich. Eher ist es so, dass man parallel und in Absprache die jeweiligen Bereiche entwickelt.

Besuchst du vorab die Location? Musstest du also vorher nach Sardinien?

Ach, das hätte ich sehr gerne gemacht. Leider ist das im Zeitalter der Digitalisierung nicht mehr in jedem Fall zwingend nötig (oder auch möglich). Ich habe mir im Netz einen Eindruck von der Insel verschafft und vom Location Scout, der vor Ort ist, oft Bilder bekommen. Bei diesem Projekt war es so, dass die Geschichte in Deutschland beginnt und die Hauptdarsteller auf Sardinien gestrandet sind. Wenn in Deutschland gedreht wird, versuche ich jedoch nach Möglichkeit, mir die Locations vorher anzusehen.

Schauspielerin Jutta Speidel und Schauspieler Bruno Maccallini inmitten von vier Eseln.
Jutta Riedl (Jutta Speidel), Bruno Bertani (Bruno Maccallini) und Esel im Film „Zwei Esel auf Sardinien”, Foto: ZDF/Emmanuel Suys. Kostüme von Carola Raum

Inwieweit reden die Schauspielerinnen und Schauspieler bei der Kostümauswahl mit?

Die Auswahl ist ein Prozess. Selbstverständlich kennen sich die Schauspielerinnen und Schauspieler selbst am besten, aber von uns bekommen sie die Hülle für ihre Rolle! Natürlich haben sie meist auch selbst eine Idee, die ihnen dabei hilft, in die Rolle zu kommen. Die Regie hat ebenfalls Vorstellungen. Darüber wird gesprochen, man tauscht sich aus, wie man die Rolle sieht.

Oft sind meine Gespräche mit den Schauspielerinnen und Schauspielern sogar deren erster Kontakt mit der Produktion. Da geht es um ganz praktische Dinge. So frage ich zum Beispiel die Körpermaße ab. Zu diesem Zeitpunkt weiß ich in der Regel schon, was sich die Regie so vorstellt und was ich mir vorstelle. Wir versuchen dann gemeinsam das beste Ergebnis zu erzielen. Das ist nicht immer ganz einfach und manchmal kommt es auch zu recht unterschiedlichen Sichtweisen, die in meinen Augen aber auch immer dafür gut sind, herauszufinden, wie denn am Ende der Film und die Rollen sein sollen. Durch diesen Prozess erzielt man das bestmögliche Ergebnis.

Übernimmst du auch die Schmuckauswahl?

Ja! Kostüm heißt von Kopf bis Fuß, alles: Accessoires, Schuhe, Schmuck, Kopfbedeckungen, Brillen, Uhren. Letzteres machen manchmal auch Requisiteure.

Du hast auch einen eigenen Fundus?

Genau, ich habe einen kleinen eigenen Fundus. Ich würde diesen nicht mit einem professionellen Fundus vergleichen oder in Verbindung bringen wollen. Meiner ist 25 Quadratmeter groß. Dort lagern, sehr gut gestapelt, Kostüme und Materialien, von denen ich weiß, dass ich sie immer wieder benötigen werde. Das hat für mich auch was mit Nachhaltigkeit zu tun – ich möchte z. B. nicht bei jedem Projekt Equipment und Schmuck oder 20 Unterzieh-T-Shirts kaufen und waschen, damit sie gebraucht aussehen und eine Lebensrealität im Film widerspiegeln. Ansonsten habe ich auch noch diverse „Spezial-teile“, die ich irgendwann auf dem Flohmarkt oder unterwegs entdeckt habe.

Woher bekommst du die Kostüme, die du nicht selbst im Fundus hast?

Das was ich nicht habe – was natürlich der größere Anteil ist – das stammt aus anderen Fundus in München oder aus Leihäusern deutschlandweit/international. Wenn es zeitlich machbar ist, fahre ich auch nach Berlin, Hamburg oder Köln. Es ist einfach viel besser die Kostüme live zu sehen und anzufassen, als sie nur online auszusuchen. Die ausgewählten Sachen werden dann abgeholt oder zugeschickt.

Ich kaufe auch Teile, weil manche Artikel einfach top auf der Höhe der Zeit sein müssen. Da ist es wichtig, dass sie neu sind. Oder es gibt das Gesuchte nicht im Fundus. Der Anteil an Gekauftem wird aber deutlich weniger! Der Trend geht dahin, so viel wie möglich wiederzuverwenden, so ressourcenschonend wie möglich zu arbeiten. Besondere oder spezielle Teile werden nach Maß angefertigt, da arbeitet man mit Schneiderinnen und Schneidern zusammen.

Sobald klar ist, dass du einen Film ausstattest, wie sieht dann dein Arbeitsalltag aus? Beispiel: dein „Sardinien-Film“.

Ich bekomme zuerst das Drehbuch und bespreche mich mit dem Regisseur. Das war in diesem Fall Xaver Schwarzenberger, der auch die Kamera geführt hat. Am Anfang steht immer die Drehbucharbeit, um herauszufinden, worum es geht und um die Kalkulation zu erstellen.

Im zweiten Schritt oder parallel erstelle ich mit Bildmaterial aus Bibliotheken, Internet oder Zeitschriften sogenannte Moodboards, die Farben und Stimmungen zeigen. Diese bespreche ich wiederum mit der Regie, um abzuklären, ob es in eine gemeinsame Richtung geht. Da schaut auch die Kamera drauf, und ich spreche mit dem Szenenbild darüber.

Moodboard: Kartonbogen, auf dem Fotos, Zeichnungen, Stoffstreifen abgebildet sind
Am Anfang steht das Moodboard

Dann beginnt die praktische Vorbereitung mit der Einrichtung des Kostümraumes. Dafür war in diesem Fall auf dem Bavaria-Filmgelände ein Produktionsraum angemietet. Meine Assistentin und ich haben gemeinsam den Raum mit Kleiderstangen und Dingen aus meinem Fundus eingerichtet. Das mache ich oft, damit meine Abteilung besser „in meinen Kopf schauen“ kann. Ich hänge größenunabhängig Kleidungsstücke zu Rollenreitern, um schon mal ein Farb- oder ein Stilspektrum zu zeigen, auch wenn ich weiß, dass dieses „Beispielkostüm“ die falsche Größe hat. Auf diese Weise sieht meine Abteilung in welche Richtung es gehen soll, und auch ich sehe klarer.

Dann folgen Gespräche mit den Schauspielerinnen und Schauspielern, ich gehe in Kostümhäuser, hole mir Inspirationen, trage Kostüme zusammen. In dieser Findungsphase bin ich im ständigen Austausch mit allen. Wenn die Drehplanungen konkreter werden, erfahre ich, wann welche Szene gedreht wird, und wann welche Schauspielerin und welcher Schauspieler fertig eingekleidet sein muss. Daraus erfolgt dann die Terminplanung für die Anproben. Im Falle von Sardinien war ganz wichtig: Wann reisen wir ab? Wann reisen die Kostüme ab?

Kommen die Schauspielerinnen und Schauspieler auch in den Kostümraum? Kam Jutta Speidel vorbei und hat sich die Kostüme angesehen und anprobiert?

Auf jeden Fall. Mit Jutta Speidel in der Hauptrolle war ich im ständigen Austausch. Ich bin zu ihr gefahren oder sie kam zu mir. Ich habe sie noch mal abgemessen, wir haben zusammengesessen und abgeglichen, ob wir dieselbe Vorstellung von der Rollenfigur haben und sind durch die wichtigsten Blöcke des Drehbuchs gegangen.

In unserem Fall war es so, dass Jutta zweimal zur Anprobe in den Kostümraum aufs Bavaria-Gelände kam. Man muss erstmal schauen: Was passt von den ausgewählten Kostümen sowohl im Sinne der Passform als auch im Sinne der Rolle. Ist dann ein umfangreiches Konvolut an Kostümen zusammengestellt, und man hat das Gefühl, die Rolle „gefunden“ zu haben, kommt schon mal der Regisseur oder die Regisseurin dazu. In diesem Fall kam Xaver Schwarzenberger zu den Anproben der Hauptrollen.

So mache ich weiter mit den Anproben für alle anderen Schauspieler und Schauspielerinnen. Wenn ich ein gewisses Volumen an Kostümen für eine Rolle gefunden habe, entscheide ich mit Blick auf die zu spielende Situation, was sich in der jeweiligen Szene und im Zusammenwirken der Rollen tatsächlich und im Detail am besten eignet. Die Kostüme werden nach der Geschichte und den Anforderungen im Drehbuch ausgesucht, anprobiert und festgelegt.

Kommen alle Schauspielerinnen und Schauspieler in deinen Kostümraum?

Ganz oft ist das so. Ich mache die Anproben weitestgehend und am liebsten bei mir im Kostümraum, manchmal auch im Fundus. Es kommt selten vor, dass ich mit einer Schauspielerin oder einem Schauspieler gemeinsam einkaufen gehe, um das perfekte Kostüm zu finden. Wenn es so ist, geht es meist um eine bestimmte Hose, Schuhe oder etwas Spezielles wie z. B. ein Brautkleid.

Wie kamen die Kostüme nach Sardinien?

Das Team ist nach Sardinien geflogen oder mit dem Auto gefahren. Die Kostüme sind im Kostümbus gereist. Die Set-Kostümerin (früher Garderobiere), die die Kostüme am Drehort betreut, hat diesen Bus nach Sardinien gefahren. In dem ersten Hotel, in dem wir untergebracht waren, hatten wir einen Kostümraum, um Dinge noch zu bearbeiten (ändern, patinieren, waschen etc.). Viele Kostüme waren glücklicherweise fertig vorbereitet und konnten im Kostümbus bleiben. Am Set wurde dann noch letzte Hand angelegt. Bei 20 Mitwirkenden vor der Kamera und 10 Tagen, die im Film erzählt werden, wie im „Sardinien-Film“, werden ganz grob 200 Kostüme benötigt.

Kostümbildnerin Carola Raum legt letzte Hand an den Kostümen im Kostümbus an.
Carola Raum bei der Arbeit im Kostümbus, Foto: VG Bildkunst/Barbara Bauriedl

Wie sah ein Drehtag auf Sardinien aus?

Es war eine kleine Produktion. Deshalb waren wir im Kostüm nur zu dritt – Assistentin, Set-Kostümerin und ich. An bestimmten Drehtagen unterstütze uns noch eine zusätzliche Hilfskraft von von der Insel, die kleider- und kostümkundig ist. Es gibt beispielsweise eine Hochzeit mit vielen Komparsen. Hier hat sie uns geholfen.

Die Assistentin stellt im Kostümbus die jeweiligen Kostüme einschließlich der Accessoires etc. im Ablauf des Drehtages zusammen. Dann dreht man eine Szene, beispielsweise mit vier Leuten. Danach dreht man etwa eine Szene mit denselben vier Personen, die aber erst zehn Tage später spielt. Die Schauspielerinnen und Schauspieler wechseln nach der ersten Szene in das entsprechende zweite Kostüm, das sie im Film erst zehn Tage später tragen.

Die Set-Kostümerin sorgt dafür, dass die Kostüme richtig getragen werden, dass das Hemd in der Hose steckt, die Hose gekrempelt und alles richtig angezogen und in Ordnung ist. Oder, wenn erforderlich, auch in Unordnung 😉 Sie betreut die Kostüme „an“ den Schauspielern während des Drehs und trägt dafür die Verantwortung.

Carola Raum und Jutta Speidel in sommerlicher Kleidung vor sardischer Kulisse.
Verstehen sich: Kostümbildnerin Carola Raum und Schauspielerin Jutta Speidel

Und was hast du als Kostümbildnerin vor Ort gemacht?

Ich mache parallel Anproben mit Leuten, die bis dahin noch nicht angezogen sind. Denn wir haben auf Sardinien noch einige „neue“ Personen im Bild gehabt: Da gab es etwa eine alte Dame, die dazu kam. Für sie musste ich noch einen Buckel bauen und sie einkleiden. Außerdem ist man eigentlich immer viel unterwegs und sucht/findet für den Dreh an den nächsten Tagen die letzten noch fehlenden Teile.

Bei neu anzudrehenden Kostümen bin ich immer gerne persönlich am Drehort. Das war in diesem Fall auch dem Regisseur sehr wichtig, um vor Ort noch reagieren zu können, falls das Setting dann doch anders aussehen sollte, als vorgesehen. Mit den Statisten habe ich ebenfalls gesprochen, sie gebrieft und falls nötig auch eingekleidet.

War das Team auch mit Italienerinnen und Italienern besetzt?

Ja. Bei den Fahrern, in der Produktionsabteilung und der Aufnahmeleitung. Die Motivaufnahmeleiterin war Italienerin. Es ist gerade am Anfang beim Zusammensuchen der Drehorte superwichtig, dass sich jemand auskennt und der Sprache mächtig ist. Oft muss man Menschen, die noch nie mit dem Film zu tun hatten, überzeugen, ihre Häuser, ihren Agriturismo oder ihre Esel zu verleihen.

Hast du etwas von der Insel gesehen außerhalb der Drehorte, z. B. in Cagliari?

Dieser Film war für mich ein ganz großes Glück und eine tolle Bereicherung, auch weil ich tatsächlich mehr von der Umgebung gesehen habe als das sonst oft bei Auslandsdrehs der Fall ist. Der Regisseur und die Produktion haben geschaut, dass wir vernünftige Arbeitszeiten hatten.

Dadurch, dass wir an verschiedenen Orten gedreht haben, hatte ich Gelegenheit, mich ein bisschen umzuschauen und am Wochenende etwas zu unternehmen. Das hat man nicht immer. Sehr ist mir auch in Erinnerung geblieben, dass die Produzentin an ihrem Geburtstag das gesamte Team auf La Maddalena zum Abendessen eingeladen hat. Sehr schön und sehr herzlich. So was ist keine Selbstverständlichkeit.

Magst du Auslandsdrehs?

Ich mag sie sehr. Ich mag alle Drehs, den einen mehr, den anderen weniger. Das hängt viel von der Vorbereitung ab. Wie gut sie ist oder wie gut ich selber die Möglichkeit habe eine Vorbereitung mitzugestalten. Denn es ist immer ein Unsicherheitsfaktor oder ein Aufregungsfaktor mehr, an einem Ort zu sein, wo man nicht die ganze Infrastruktur kennt. Gleichzeitig ist es aber auch das Tolle daran und immer wieder eine Herausforderung.

Gibt es Projekte, die du besonders gerne magst? Ich stelle mir vor, dass es besonders schön ist, historische Filme auszustatten.

Ich mag historische Filme, aber zeitgenössische Filme sind immer eine ganz besondere Herausforderung, da es heute ja eine starke Individualisierung der Kleidungsstile gibt, mit deren Hilfe ich mir Rollenbilder komplett selbst ausdenken darf und muss.

Das heißt, wenn ich eine zeitgenössische Rolle ausstatte oder erfinde, dann kann ich kaum auf ein Korsett von Konventionen oder Vorgaben zurückgreifen, wie das in früheren Zeiten war. Ich habe deutlich weniger Vorlagen, sondern bin viel mehr gefragt, eine Unterscheidbarkeit der Sozialisierung in den Rollen herzustellen. Es ist ein Spagat, denn ich weiß, woher die Leute kommen sollen, welche Geschichte sie haben sollen, will aber in der Regel kein Klischee bedienen und gleichzeitig auch eine Individualität herstellen. In der Historie ist die Individualität natürlich auch gefragt. Doch oft gibt es mehr Vorgaben, weil man früher stärkere Kleiderkonventionen hatte. Das hat auch seinen Charme, doch das zeitgenössische Kostüm ist aus meiner Sicht fast eine größere Herausforderung.

Grundsätzlich bin ich offen für die verschiedensten Themen, freue mich aber immer über Projekte, die eine eingehende Recherche und Auseinandersetzung erfordern.

Danke, liebe Carola, für dieses überaus spannende Gespräch und deine Zeit!

Ich hoffe, dir, liebe Leserin, lieber Leser hat das Interview auch gefallen! Über deine Meinung freue ich mich sehr.

Und wer jetzt neugierig geworden ist und gerne Carolas Arbeit als Kostümbildnerin sehen möchte – der Film „Zwei Esel auf Sardinien“ ist noch bis 24. Februar 2023 in der ZDF-Mediathek abrufbar  und einen Überblick, welche Filme Carola ausgestattet hat, gibt es bei Crew United.

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