
Um Südtirol habe ich lange einen Bogen gemacht. Zu deutsch, zu wenig Italianità. Doch im Oktober 2024 war ich bereit. Bereit für Südtirol. Bereit mehrere Tage hintereinander zu wandern und das allein. Francesca Melandris Buch „Eva dorme“ (Eva schläft*), das in Südtirol angesiedelt ist, hat mich angeregt. Kurz vor dem Buchmessetrubel gönnte ich mir eine kurze Auszeit. Und da es nach der Buchmesse trubelig weiterging, kommt der Text erst jetzt.
Wer mein Blog schon länger liest, weiß, dass ich immer mit dem Zug nach Italien reise und auch vor Ort vor allem mit Bus, Bahn oder Fahrrad unterwegs bin. Diesmal wollte ich noch nachhaltiger sein. Also buchte ich ein Bio-Hotel mit Restaurant und Wellness-Option, falls das Wetter schlecht sein würde.

Außer Wanderkleidung packte ich die beiden Bücher „Südtirol. Eine literarische Reise“* und „Resto qui“ (Ich bleibe hier*) von Marco Balzano ein. Das Ziel: Meran – wo einst Kaiserin Sisi kurte. Ich will jedoch wandern.
Inhaltsverzeichnis
Wandern, Wellness, Weitblick – mein nachhaltiger Südtirol-Trip
Zug, Zeit, Zwischenstopps – auf nach Südtirol
Die Reisezeit: Anfang Oktober. Wie ich bald feststelle: nicht ideal. Rund um den 3. Oktober scheint halb Deutschland dort zu sein. Morgens um sechs Uhr geht’s in Frankfurt los, mit Umsteigen in München und Bozen. Der Zug ist bis auf den letzten Platz gefüllt, die Gänge sind voll. Ich ergattere einen Platz im Speisewagen, Unterhaltung von München bis Bozen inklusive. Dabei will ich doch lesen und mich in Südtirol-Stimmung bringen. Gegen 15 Uhr bin ich im Hotel – und schon kurze Zeit später teste ich den Poolbereich. Topp!
Tag 1 – Marlinger Waal- und Höhenweg
Noch verstecken sich die Bergspitzen unter einer Nebelmütze. Ich höre nur meine Schritte, das Knirschen des Kieses, den Wind in den Blättern. Der Nebel, ein anarchisches Gebilde. Löst er sich auf oder verwandelt er sich in Regen? Er entscheidet sich zunächst für Letzteres. Im Tagesverlauf: rein in die Regenhose, raus aus der Regenhose … Ich folge den schmalen Bewässerungskanälen – den Waalen, Namensgeberinnen vieler Wege hier.
Irgendwann klart es auf. Apfelplantagen wechseln sich mit Weinbergen ab. Die Augen schweifen in die Ferne, zum gegenüberliegenden wolkenbehangenen Bergkamm. Kaum Menschen unterwegs. Eine befreundete Meranerin empfahl mir: „Mach am Freitag diesen Waalweg, denn die Tourist*innen sind an diesem Tag auf dem Meraner Wochenmarkt. Dann hast du den Weg für dich.“ Recht hat sie.
Dreieinhalb Stunden beziehungsweise 13 Kilometer bin ich unterwegs. 240 Höhenmeter hoch und wieder bergab. Ein schöner und abwechslungsreicher Einstieg in meinen Wanderurlaub.
Am frühen Nachmittag bin ich zurück im Hotel und verbringe die Zeit bis zum Abendessen wieder im Wellnessbereich.
Tag 2 – Mutkopfrunde mit Blick auf Schloss Tirol
„Fahr mit der Gondel zur Hochmuth-Bergstation und lauf dort eine Runde“, war ein weiterer Tipp meiner Freundin. Ich folge ihrem Rat und laufe von dort zum Mutkopf.
Schon wenige Meter nach der Bergstation zerstreuen sich die Menschen. Es wird teils sehr einsam — für mich zu einsam. Obwohl ich lieber ungestört laufe, bin ich dann doch froh, wenn mir eine Person begegnet. Das Wetter ist heute eindeutig besser – fast schon sonnig.
Wo ist der Weg? Diese Frage stelle ich mir öfter. So ganz eindeutig ist weder die Ausschilderung noch die App. Ich finde ihn aber immer wieder. Ich mag diese Wege: Moose, Flechten auf Steinen und Wurzeln direkt daneben, Waldboden unter meinen Füßen – ein bisschen unwegsam und schmal, stets entlang von Wäldern und durch Wälder.
Zwischen Orientierung und Genuss: Naturerlebnis pur
Immer wieder eröffnen sich Weitblicke übers Tal, auf die anderen Berge. Die Augen werden mit Natureindrücken, die Ohren mit Vogelgezwitscher, Blätterrauschen und Stille geflutet. Auf einer der Sitzbänke mit Ausblick genieße ich die vom Hotel zusammengestellte Jause. Was von außen aussieht wie ein Käsebrötchen, entpuppt sich als ein mit gegrilltem Gemüse gefülltes Brötchen. Großartige Idee! Dazu noch ein Südtiroler Apfel und ein Biosaft.
Während ich die Gedanken schweifen lasse, fällt mir Johann Gottfried Seume ein. Er hat zu Beginn des 19. Jahrhunderts einen „Spaziergang nach Syrakus“ unternommen und sprach vom „Tornistern“ statt Wandern. Ein Begriff, der mir sehr gefällt. Herrlich altmodisch – und schön. Nach zwei Stunden oder 6 Kilometern „tornistern“ mit einem Höhenunterschied von 370 Metern erreiche ich wieder die Bergstation. Die Gondel bringt mich zurück ins Dorf Tirol und unter Menschen. Einen längeren Bummel durch Meran erspare ich mir – zu viel los. Stattdessen entscheide ich mich erneut für den Wellnessbereich des Hotels. Frei nach dem Motto: Nach dem Wandern ist vor der Entspannung am und im Pool.
Tag 3 – Bozen
Am dritten und letzten Tag bummele ich durch Bozen: Laubengang, Bindergasse, Dom Maria Himmelfahrt, Franziskanerkloster mit Kreuzgang, Schloss Maretsch, Siegesdenkmal, Waltherplatz und Obstplatz. Was man eben so anschaut. Von dort geht es mit dem Zug zurück nach Frankfurt.
Bio, Berge, Balance – mein Aufenthalt im Hotel Pazeider
Ich habe das Bio-Hotel Pazeider* als Unterkunft gewählt. Es liegt etwas außerhalb von Marling (Marlengo) in der Nähe Merans. Der Marlinger Bahnhof und eine Bushaltestelle sind fußläufig entfernt. Mein Zimmer ist sehr geräumig mit kleinem Balkon und freiem Bergblick.
Das Hotel selbst hat einen umfangreichen Spa- und Wellnessbereich. Das war mir wichtig für den Fall, dass das Wetter zum Wandern zu unwirtlich ist. Außerdem bevorzuge ich Hotels mit Restaurant. So kann ich wählen, ob ich am Abend noch mal vor die Tür will oder nicht. An diesen Tagen wollte ich nicht, das Angebot der Speisen war zu verlockend.
Vom Wellness-Angebot habe ich nur den Pool genutzt. Nicht groß, doch ausreichend für ein paar Züge. Am Nachmittag hatte ich den Poolbereich fast für mich. Schwimmen. Ruhen. Lesen. Entspannung pur.
Danach gleite ich gemächlich in den Aperitivo-Cena-Modus über. In der Bar ein Getränk. Im Restaurant ein (vegetarisches) regional-biologisches Essen. Die Portionen „normal“, mit der Option nachzubestellen. Nachhaltig. Ich bin auch ohne Nachbestellen satt geworden. Auch das Frühstücksbuffet war reichlich und gleichzeitig nachhaltig präsentiert.
Die Gerichte sind mehr italienisch denn südtirolerisch. Dabei hätte ich gerne südtirolerisch gegessen. Köstlich waren die Gerichte allemal, sodass ich mich insgesamt rundum wohlgefühlt habe.
Wandern, Wellness, Wohlfühlen – unterwegs mit mir selbst
Was ich auf dieser Reise wieder festgestellt habe: Ob beim Wandern, am Pool oder im Restaurant – ich komme hervorragend mit mir alleine klar. Ich habe auch kein Problem, Paare oder Menschen in Gesellschaft zu sehen. Bücher (und das Smartphone) sind meine Begleitung. Lesen und den Tag anhand der Fotos Revue passieren lassen, mich am Essen, der Atmosphäre erfreuen macht mich glücklich und zufrieden. Ich habe meinen Urlaubsrhythmus gefunden. Ich brauche sogar das Alleinsein und die Ruhe. Kontakte suche ich meist nur, wenn sie Italienisch sprechen.
Der einzige Wermutstropfen – ich weiß, Jammern auf hohem Niveau: Mit meinem Italienisch komme ich nicht weit. Deutsch ist die bevorzugte Sprache. Irgendwie kann ich’s aufgrund der Geschichte auch verstehen.
Mein Kurztrip war ein voller Erfolg. Ich kann mir gut vorstellen, erneut nach Südtirol zu reisen. Auf jeden Fall wieder mit dem Zug und der Unterkunft in einem Bio-Hotel. Ich hatte vorher keine genaue Vorstellung, was ein Bio-Hotel genau ausmacht: regionales Bio-Essen, reduzierter Einsatz von Plastik und Alufolie, Vollholzmöbel, Einsatz erneuerbarer Energien, Natur-Pflegeprodukte … Das Konzept hat mich überzeugt, denn biologische Ernährung und Nachhaltigkeit lebe ich auch zu Hause. Weshalb also nicht auch im Urlaub?
Disclaimer: Ich habe die Reise und die Unterkunft selbst bezahlt. Da ich mich im Hotel sehr wohl gefühlt habe, erwähne ich das Hotel namentlich.
Tipp: Auf der Seite biohotels.info findest du entsprechende Hotels u. a. in Deutschland, Österreich, Italien.
Wie steht du zu nachhaltigem Reisen? Bahn statt Flugzeug? Bio-Hotels statt Ketten? Lass es mich gerne in den Kommentaren wissen.
*Affiliate-Links Wenn du über diesen Link das Hotel buchst oder ein Buch bestellst bekomme ich ein paar Cents. Du hast keine Nachteile, mich freut’s.
Katja meint
Hach, wie schön. Da bekomme ich direkt Fernweh. Mit meinen Eltern waren wir früher immer in Südtirol. Vor etlichen Jahren bin ich sogar mal den Meraner Höhenweg komplett gewandert. Beim Lesen Deines Reiseberichts bekomme ich direkt wieder Lust.
Ulrike meint
Liebe Katja,
da schau an, du hast du mir was voraus. Ich war als Jugendliche höchstens zweimal dort. Meine Eltern und mich hat da nichts hingezogen. Wow – der Meraner Höhenweg steht auch noch auf der To-do-Liste.
PS: Schön, wieder einmal von dir zu hören bzw. lesen
Birgit meint
Nachhaltig nach Italien – das geht mit der Bahn wirklich wunderbar. Ich fahre immer von Berlin bis nach Südtirol. So schnell wie mit ICE und Railjet käme man mit dem Auto nicht hin. Und schon gar nicht so entspannt. Mit der Meran-Card hat man dann z.B. ab dem Brenner alle öffentlichen Verkehrsmittel kostenlos zur Verfügung.
Ulrike meint
Liebe Birgit,
wow, von Berlin aus ist’ ja noch mal ne Ecke länger. Ich finde so zu reisen auch sehr entspannt. Ja, die Meran-Card ist ne feine Sache. Werde ich beim nächsten Mal auch schon ab Brenner einsetzen.
Viele Grüße
Ulrike