Procida ist die unbekannteste unter den kampanischen Inseln. Da gibt es das berühmte Capri mit seiner Piazzetta, den edlen Geschäften, den VIP, der Blauen Grotte und Touristenmassen. Dann ist da Ischia mit seinen Thermalbädern und der Festung Castello Aragonese. Und dann ist da diese kleine bunte Welt – das Burano des Südens –, die in das Azurblau des Golfs von Neapel getaucht wurde. Nun wurde dieses Kleinod zur italienischen Kulturhauptstadt 2022 auserkoren.
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Procida wird italienische Kulturhauptstadt 2022
Die Insel ist vulkanischen Ursprungs, gerade mal vier Quadratkilometer groß und weist nur 16 Kilometer Küstenlänge auf, die von hohen Felswänden und langen schmalen Stränden aus schwarzem Vulkansand geprägt ist.
Eine kleine Welt für sich
Während meines Neapel-Sorrent-Aufenthalts vor vier Jahren habe ich mir Procida gerade deshalb ausgesucht, weil sie eher bescheiden, ich möchte fast sagen unaufgeregt, daherkommt. Sie hat nicht so viel zu bieten, wie ihre beiden großen Schwestern, dafür ist sie nicht so überlaufen und ganz bezaubernd.
Von Neapel setze ich mit der Fähre über. Die Möwen haben mich ein Stück begleitet und schon bald taucht das Eiland am Horizont auf. Am Hafen (Marina Grande) begrüßt mich quirliges Treiben: Bars, Restaurants, Geschäfte und eine breite Promenade säumen das Hafenbecken.
Ich nehme mir ein Taxi, das mich zu meiner Unterkunft bergauf im Nord-Osten der Insel bringt. Ich habe mich für zwei Nächte dort einquartiert. Zwei, drei Tage reichen völlig, um die Insel zu Fuß zu erkunden. Ich habe einen Tag für Procida eingeplant und einen für die Insel Ischia, die von hier aus mit regelmäßigen Fährverbindungen gut zu erreichen ist.
Was gibt es zu sehen in Procida?
Es ist Mitte September, die Temperaturen sind angenehm warm und die Zahl der überwiegend italienischen Tourist*innen ist überschaubar. Ich mache mich auf den Weg, die Insel zu erkunden. Schon bald stehe ich vor der Wahl: entweder weiter am Hafen entlang und zur Parrocchia Maria SS. Della Pietà oder den „Aufstieg“ zum Punta dei Monaci und Santa Margherita Nuova. Ich entscheide mich, erstmal durch die schmalen Gassen bergauf zu laufen. Ich besichtige das Casale Vascello, ein typisches Beispiel für die procidanische Architektur mit aneinander gelehnten Gebäuden, die durch Treppen und Bögen miteinander verbunden sind. Oben werde ich mit einem spektakulären Ausblick belohnt. Unter mir das tief azurblaue klare Meer, in der Ferne der Vesuv, die sorrentinischen Halbinsel und Capri.
Einen Besuch wert ist auch die Abtei von San Michele Arcangelo. San Michele ist der Schutzpatron von Procida, der gleich zweimal gefeiert wird: am 8. Mai und am 29. September. Die Kirche war ursprünglich ein Benediktinerkloster. Heute hat sie eine barocke Ausstattung mit einer reichen Kassettendecke aus vergoldetem Holz. Sie ist etwas in die Jahre gekommen und hat den Charme einer verfallenen Schönheit.
Procida in Film und Literatur
Ich schlendere hinab zum Hafen, wo sich die bunten Häuser aneinander und übereinander reihen, sich im Wasser spiegeln und der als Filmkulisse für Il Postino – Der Postmann – diente. Überhaupt ist Procida häufig Kulisse verschiedener Filme und Protagonistin in der Literatur gewesen: Mit The Talented Mr. Ripley schafft es Procida sogar auf die Hollywood-Filmwand. Lina Wertmüller drehte mit Sophia Loren und Giancarlo Giannini in den Hauptrollen den Fernsehfilm „Francesca e Nunziata“ auf der Insel.
Procida taucht auch in einer Szene der sechsten Novelle des fünften Tages von Giovanni Boccaccios Decameron auf. In Graziella erzählt Alphonse de Lamartine eine Liebesgeschichte zwischen einem jungen Franzosen und der Procidanerin Graziella, Tochter einer Fischerfamilie, mit autobiographischem Charakter. Auch der Roman Arturos Insel von Elsa Morante spielt auf Procida.
Ich liebe es, mich im Urlaub treiben zu lassen, alle Zeit der Welt zu haben und mich immer wieder überraschen zu lassen. Etwa wenn sich mir Innenhöfe auftun, unförmige Pflanzen, tolle Fassaden, ein Springbrunnen überraschend zum Vorschein kommen.
Ich esse am Abend in einem Lokal am Hafen die für die Insel typische Pasta alla pescatora und am nächsten Morgen das äußerst leckere Süßgebäck Lingua di Procida, bestehend aus Blätterteig und einer Zitronencreme, begleitet von einem Cappuccino, dem Blick aufs Meer und dem Treiben am Hafen. Wenn’s ums Frühstücken in Italien geht, oute ich mich gerne als Touristin. Einfach zu schön finde ich den Start in den Tag mit einem Cappuccino und Teilchen im Sitzen in einer Bar und das Treiben um mich herum zu beobachten
Noch gilt Procida als Geheimtipp, wo vor allem Italiener*innen Erholung und Entspannung suchen. 2022 dürfte sich das vermutlich ändern, wenn sie als italienische Kulturhauptstadt stärker in den Fokus des Interesses rücken wird.
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