Der Alltag hat mich wieder. Die Gedanken sind sortiert, die Füße haben sich erholt, und die literarischen sowie menschlichen Begegnungen hallen nach. Der Stapel ungelesener Bücher ist noch einmal gewachsen.
Moderation zum Einstieg
Für mich begann die Buchmesse schon knapp eine Woche vorher: In der Deutsch-Italienischen Vereinigung habe ich die Vorstellung des Buches „Die Gaumenfreuden des jungen Goethe“ von Laura Melara-Dürbeck moderiert.
Ein Streifzug durch die italienische Literaturgeschichte
Am darauffolgenden Sonntag ging es weiter. PD Eva-Tabea Meineke und Prof. Christine Ott gaben im Haus des Buches einen Überblick über die italienische Literaturgeschichte. Moderiert wurde die Veranstaltung von Martin Maria Schwarz. Es war ein Ritt durch 600 Jahre, beginnend mit den Großen der italienischen Literatur: Dante Alighieri, Giovanni Boccaccio und Francesco Petrarca. Bis dahin hatte ich Michelangelo Buonarroti nicht als Autor auf dem Schirm – und erst recht nicht als den ersten queeren Schriftsteller. Er verfasste Sonette, Madrigale und Gedichte, die er Tommaso de’ Cavalieri widmete. Aufgrund ihrer intimen Natur werden diese Werke heute als Zeichen einer Liebesbeziehung zwischen den beiden gedeutet.
Die italienische Literatur machte dann für ein paar Jahrhunderte eine „Schaffenspause“, bis im 19. Jahrhundert wieder bedeutende Schriftsteller auftraten, wie Alessandro Manzoni, Giacomo Leopardi oder Luigi Pirandello. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts mischten sich dann auch Frauen in die Literaturszene ein, darunter die Literaturnobelpreisträgerin von 1926, Grazia Deledda, sowie Elsa Morante. Über aktuelle Autorinnen und Autoren werde ich später berichten.
Auf der Buchmesse
Mein Hauptinteresse galt den italienischen Autorinnen und Autoren. Ich besuchte Lesungen und Gespräche von Schriftsteller:innen, deren Bücher ich bereits gelesen habe oder die sich auf meinem Bücherstapel befinden (Francesca Melandri, Marco Balzano, Mauro Covacich, Paolo Giordano, Antonio Scurati, Roberto Saviano) sowie von solchen, von denen ich gehört habe (Igiaba Scego, Mario Desiati, Olga Campofreda, Chiara Valerio).
Die spannendsten und kontroversesten Gespräche fanden jedoch außerhalb des italienischen Pavillons statt.
Besonders begeistert haben mich die beiden PEN-Berlin-Gespräche. Gleich zu Beginn der Messe gab es ein Gespräch mit Melandri, Scurati und Giordano, in dem vor allem Scurati von den Repressionen berichtete, denen er ausgesetzt ist: Hetzkampagnen, Diffamierungen auf Titelseiten, Drohbriefe und beschmierte Hauswände. Das Ganze wurde hervorragend moderiert von Birgit Schönau, Zeit-Korrespondentin in Rom von 2005 bis 2014.
Auch das zweite, ebenfalls von Birgit Schönau moderierte PEN-Berlin-Gespräch mit Saviano war politisch aufgeladen. Es ging um die „schleichende“ Zensur, die in Italien um sich greift – und das in einer Demokratie. Wer nicht anecken will, muss sich mit unverfänglichen Themen beschäftigen. Menschen haben Angst, sich gegen Meloni zu stellen, weil das bedeutet, dass sie kein Geld für Projekte erhalten. Weder Sponsoren noch Banken unterstützen Oppositionelle.
Einblicke von einer Übersetzerin
Ein weiteres Highlight war das Gespräch mit der Übersetzerin Annette Kopetzki am Stand des Deutschlandfunks, auf das ich eher zufällig stieß. Sie hat viele von Savianos Büchern ins Deutsche übersetzt und interessante Einblicke in ihren Beruf gegeben.
Virtuelles Museum
In der Deutsch-Italienischen Vereinigung erfuhr ich außerdem mehr über das Multimediamuseum der italienischen Sprache. Seit Juni 2023 existiert das MULTI | Museo multimediale della lingua italiana als Onlinemuseum unter multi.unipv.it. Giuseppe Antonelli stellte es im Gespräch mit Cristina Giordano vor. Ziel ist es, das vielfältige immaterielle Erbe der italienischen Sprachgeschichte auf integrative und interaktive Weise zu vermitteln.
Austausch und Begegnungen
So wichtig und bereichernd die Lesungen und Gespräche mit den Autorinnen und Autoren auch waren, genauso schön war es, mit anderen ins Gespräch zu kommen. Zum Beispiel mit Karen Krüger, der FAZ-Korrespondentin in Mailand, deren Artikel ich sehr gerne lese. Sie moderierte am FAZ-Stand ein Gespräch mit Francesca Melandri zu ihrem neuen Buch „Kalte Füße“.
Beim Blogger:innentreffen des Wagenbach Verlags unterhielt ich mich mit anderen Buchbloggerinnen. Mario Desiati las aus seinem jüngst auf Deutsch erschienenen Buch Spatriati (übersetzt von Martin Hallmannsecker). Passend zum Gastland Italien wurden wir am Stand mit einer Capri-Sonne empfangen und mit einem Exemplar von Desiatis Buch und Glückspillen verabschiedet. Beim gemeinsam von Wagenbach und Folio Verlag veranstalteten „Italienischen Abend“ in der Romanfabrik lernte ich zudem einige Stimmen hinter dem Mikrofon von WDR Cosmo Italiano kennen.
Ich unterhielt mich mit Autorinnen, Übersetzerinnen, Moderatorinnen, Bekannten. Es waren intensive, erkenntnisreiche und vor allem wunderbare Tage voller literarischer und menschlicher Begegnungen.
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