Kunst im Dialog: Kunstakademie Brera und Städelschule Frankfurt

Kunst im Dialog: Austausch der Kunstakademie Brera und der Städelschule Frankfurt
Die Projektleiterinnen Caroline Lüderssen (links) und Barbara Thurau (rechts) in der Skulptur „Coloris“ der Künstlerin Pascale Marthine Tayou, die sich im CityLife-Park in Mailand befindet

Eigentlich sollte dieser Beitrag bereits im Februar erscheinen, doch dann kam Corona und seither ist alles anders. In Italien steht vieles still, alle Veranstaltungen sind abgesagt, so auch die Ausstellungen, um die es im Folgenden geht. Ich − und mit mir auch meine beiden Gesprächspartnerinnen − finden es zu schade, den Artikel im Entwurfsmodus schlummern zu lassen. Die Ausstellungen sind ja nur verschoben und nicht aufgehoben. Vorarbeiten und -besprechungen sind ja gemacht und behalten ihre Gültigkeit, auch wenn „Kunst im Dialog: Kunstakademie Brera und Städelschule Frankfurt“ erst im Jahr 2021 eröffnet wird. Der genau Termin steht noch nicht fest.

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An einem regnerischen Februartag radle ich zur Deutsch-Italienischen Vereinigung e. V. (DIV) ins Frankfurter Westend. Dort werde ich gleich Barbara Thurau und Caroline Lüderssen zum Interview treffen. Ich betrete ein schmuckes Haus, das mir sehr vertraut ist. Denn dort bekomme ich außerhalb meiner Italienaufenthalte meine wöchentliche Dosis Italienisch in einem Konversationskurs.

Barbara Thurau, die Leiterin der Westend Galerie, empfängt mich freundlich. In einem der Klassenzimmer, in denen normalerweise Italienisch unterrichtet wird, liegen auf den Tischen Kartonagen, Luftpolster und Kunstwerke zum Verpacken bereit. Wir steigen die knarrenden Stufen zur Westend Galerie in der ersten Etage hoch. Hier an den Wänden hängen noch einige Gemälde der soeben beendeten Ausstellung von Giovanni Cerri „Erinnerung und Zukunft / MEMORIA E FUTURO. A Milano, nell’anno di Leonardo“, in der es um Mailand ging. Und mit Mailand hat auch mein heutiger Besuch zu tun.

Kunst im (deutsch-italienischen) Dialog

Caroline Lüderssen, Vorsitzende der Deutsch-Italienischen Vereinigung e. V., kommt hinzu und die nächsten anderthalb Stunden erzählen mir die beiden von ihrem aktuellen Projekt: „Kunst im Dialog: Ein Austausch der Kunstakademie Brera Mailand und der Städelschule Frankfurt“. Eine Idee, die schon vor drei Jahren zwischen Thurau und Marco Casentini, Dozent an der altehrwürdigen Accademia di Belli Arti di Brera, entstand. Damals stand fest: „Wir müssen mal etwas gemeinsam machen“, so Thurau. Unklar war nur, wie genau das „Gemeinsam-Machen“ aussehen sollte.

Als der Termin des 50-jährigen Jubiläums der Städtepartnerschaft zwischen Mailand und Frankfurt näher rückte, kamen die Stadt Frankfurt und die DIV ins Gespräch. Ihr Anliegen: Es passiere generell so wenig bei dieser Städtepartnerschaft, das sollte mit Hilfe der DIV geändert werden. Was lag also näher, als die „alte Idee“ aufzugreifen und für das Jubiläum 2020 einen Austausch der Kunstakademien zu planen. Konkret: Werke von Studierenden der Städelschule sollten in Mailand und Arbeiten von Studierenden der Brera Akademie in Frankfurt ausgestellt werden. Nachdem dann auch die Städelschule im Boot war, konnte weiter – inhaltlich – geplant werden. Die Ausstellungsorte waren relativ schnell gefunden. In Mailand werden die Werke in der profanierten Kirche San Carpoforo, die zur Brera Akademie gehört, ausgestellt. In Frankfurt werden die Arbeiten im Museum Giersch und in der Westend Galerie gezeigt.

Kunst im Dialog: Austausch der Kunstakademie Brera und der Städelschule Frankfurt
Bei der Besichtigung in Mailand: Sebastjan Brank, Andrea Del Guercio, NN,  Dany Vescovi, Caroline Lüderssen und Antonia Lia Orsini (v.l.n.r.)

Als Kuratoren drei Dozenten und zwei Studierende

Marco Casentini konnte zwei seiner Kollegen für das Vorhaben gewinnen. Andrea Del Guercio hatte bereits in Freiburg eine ähnliche Ausstellung realisiert, und zwar zwischen den Partnerstädten Padua und Freiburg. Der hierfür entstandene Katalog hat die deutschen Macherinnen sehr inspiriert und aufgezeigt, dass so ein Ausstellungsaustausch machbar ist.

Dany Vescovi ist der dritte im Bunde. Die drei Herren, Professoren an der Brera, sowie Barbara Thurau kuratieren die Ausstellung in Frankfurt.

Die Ausstellung der Städelschüler*innen in der Chiesa di San Carpoforo in Mailand wird von einer Studentin und einem Studenten kuratiert. Antonia Lia Orsi und Sebastjan Brank belegen den Kooperationsstudiengang „Curatorial Studies“ der Goethe-Universität und Städelschule. Antonia ist Halbitalienerin, Sebastjan hat an der Brera studiert, sie sind also nicht nur sprachlich prädestiniert für den Job. Beide wurden von Stefanie Heraeus, der Leiterin des Studiengangs vorgeschlagen. Sie übernimmt auch die Supervision.

Wie sehen sie nun konkret aus, die Vorbereitungen einer solchen Doppel-Ausstellung?

Bei diesem Ausstellungsaustausch muss ja nicht nur zwischen zwei Hochschulen mit unterschiedlichen Ausrichtungen, zwischen privater Hochschule mit rund 4.000 Studierenden in der lombardischen Metropole und staatlicher Hochschule mit lediglich 200 Studierenden am Main koordiniert werden. Nicht zuletzt muss alles immer in zwei Sprachen verfasst werden: Projektbeschreibung, Ausstellungskonzept, Finanzpläne, Protokolle, Formulare etc.

Diverse Partnerschaften

„Wir sind im Grunde die Schnittstelle zwischen beiden Projekten, wir koordinieren beide Ausstellungen. Wir kümmern uns vor allem um die Finanzierung, stellen die Anträge, kümmern uns um alle logistischen und bürokratischen Dinge, suchen mögliche Sponsoren und Partnerschaften. Der Hauptaspekt unserer Tätigkeit ist im Augenblick Kommunikation und Koordination“, so Lüderssen. Diverse Partnerschaften sind bereits geschlossen – Goethe-Universität oder die jeweiligen Handelskammern etwa sind Partnerschaften im Sinne der Kommunikation und der Visibilität. Die Oberbürgermeister der Städte Frankfurt und Mailand sowie die jeweiligen Generalkonsulate übernehmen die Schirmherrschaft.

Eine Herausforderung ist die Finanzierung der Ausstellung in Mailand. Denn hier müssen nicht nur Financiers für die Kosten des Transports, für den Ausstellungsaufbau, sondern auch für Materialkosten sowie für die Reise der Künstler*innen nach Mailand gefunden werden. Dadurch, dass die Ausstellung erst vor Ort entsteht und aufgebaut wird, müssen einige Künstler*innen hinfahren und mehrere Tage vor Ort sein.

Unterschiedliche Konzeptionen und Herangehensweisen

Antonia Lia Orsi und Sebastjan Brank sind aktuell damit befasst ein Konzept zu entwickeln, in enger Abstimmung mit Stefanie Heraeus. Sie haben bereits einen ersten Konzeptentwurf vorgelegt, der sich sehr auf den Raum bezieht. Bei dem Mailänder Ausstellungsraum handelt es sich ja um eine profanierte Kirche. Dieser Aspekt des Spirituellen, der christlichen Werte, der Kontrast des Sakralen und Profanen soll thematisch umgesetzt werden. Was bedeutet das Sakrale heute? Ist es durch etwas anderes ersetzt, bedeuten christliche Werte überhaupt noch etwas? Was bedeutet es, wenn man in einem sakralen Raum ausstellt? Diese Aspekte wollen die Kuratorin, der Kurator thematisieren – installativ und situativ. Um den großen Kirchenraum zu strukturieren, soll es Raumteiler geben. Die Werke werden in den nächsten Monaten für diesen Raum konzipiert. Doch dafür müssen noch die Künstler*innen ausgewählt werden. Bisher stehen zwei fest: Professor Tobias Rehberger und Professorin Judith Hopf, die beide an der Städelschule unterrichten. Von Seiten der Studierenden gibt es schon ein paar Vorschläge. Am Ende sollen circa 20 Städelschüler*innen die Chance bekommen, in Mailand auszustellen.

Kunst im Dialog: Austausch der Kunstakademie Brera und der Städelschule Frankfurt
Außenansicht der profanierten Kirche San Carpoforo

Für die Ausstellung in Frankfurt – auch hier gibt der museale Raum die Konzipierung vor – ist mit Malerei, Videos und Fotografie zu rechnen. Das Konzept der Brera-Dozenten sieht vor, ihr didaktisches Prinzip, ihr Vorgehen vorzustellen, sowie die langjährige Geschichte der Brera Akademie darzustellen. Die Mailänder Künstler*innen werden zwei Etagen des Museums Giersch bespielen. Je nachdem wie die Ausstellung dort konzipierte wird, werden auch hier 20 bis 25 Künstler*innen ihre Arbeiten präsentieren.

Einer der beiden Ausstellungsorte in Frankfurt: Das Museum Giersch der Goethe-Universtität
Einer der beiden Ausstellungsorte in Frankfurt: Das Museum Giersch der Goethe-Universtität
Ausstellungsort in Frankfurt: Westend Gallerie
Ausstellungsort in Frankfurt: Westend Gallerie

Zwei Standorte in Frankfurt

Fernerhin wird noch ein Teil der Kunstwerke in der Frankfurter Westend Galerie gezeigt. Offen ist noch, ob nur Arbeiten von fünf Dozenten*innen der Brera hier ausgestellt werden oder sowohl von Student*innen als auch Dozent*innen gemeinsam. Erstere Idee würde gut passen, „da es auch die Studiensituation widerspiegelt. An der Brera Akademie gibt es den Unterschied Dozent*in auf der einen und viele Student*innen auf der anderen Seite“, so Thurau. „Diese Ausstellung hier in der Westend Galerie kuratieren natürlich wir selbst. Wir wählen auch die Brera-Dozent*innen aus. Das ist auch von den drei Kuratoren so gewünscht. Sie wollen sich da nicht in die Nesseln setzen.“ In San Carpoforo werden die Arbeiten des Dozenten und der Dozentin in die Ausstellung der Studierenden integriert. „Das passt auch zum System der Schule, weil die Städelschule ja sehr auf Werkstattcharakter ausgerichtet ist.“

Katalog

Zu den beiden Ausstellungen ist ein zweisprachiger Katalog geplant, der beide Projekte und das didaktische Vorgehen der Brera-Dozenten enthält. Da vor allem die Kunstwerke in Mailand erst vor Ort entstehen, haben die Macher*innen beschlossen, dass der Katalog fertiggestellt wird, wenn die Ausstellung schon läuft. Da die Laufzeit in Frankfurt (bis Oktober 2020) recht lang ist, bleibt dafür genügend Zeit.

Vernissagen

Die Ausstellungseröffnung in San Carpoforo wird am Samstagabend, 11. Juli 2020, 2021 stattfinden. Da bietet sich eine große Party mit Performances, zu der die Brera-Schüler*innen eingeladen sind, geradezu an. Somit können sich die Studierenden auch kennen lernen. Möglichkeiten gemeinsamer Treffen sind auch für Frankfurt geplant. Diese Ausstellung wird am Sonntagvormittag, 9. August 2021 eröffnet.

Lüderssen ist sich sicher, dass „dieses Projekt ein echtes Austauschprojekt ist, da es Leute wirklich in Kontakt bringt“. Ganz nebenbei macht es „unheimlich viel Spaß und es inspiriert mich sehr.“

 

Eckdaten

Kurator*innen der Ausstellung der Accademia di Belle Arti di Brera in Frankfurt

Von der Akademie Brera
Prof. Marco Casentini
Prof. Andrea B. Del Guercio
Prof. Dany Vescovi

Von der Frankfurter Westend Galerie/Deutsch-Italienische Vereinigung e. V.
Barbara Thurau

Kurator*innen der Ausstellung der Städelschule in Mailand

Antonia Lia Orsi
Sebastjan Brank
Stefanie Heraeus (Supervision)

Projektleitung und Projektmanagement

Frankfurter Stiftung für deutsch-italienische Studien – Italienstiftung Deutsch-Italienische Vereinigung e. V.

Dr. Caroline Lüderssen

Ausstellungsorte/-laufzeit

Chiesa di San Carpoforo, Mailand, 11. bis 31. Juli 2020 2021

Museum Giersch, Frankfurt, 9. August bis 18. Oktober 2020 2021

Westend Gallerie, Frankfurt, 9. August bis 18. Oktober 2020 2021

 

Danke Caroline und Barbara für die Einblicke!

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