Eigentlich hatte ich mich mit Laura Melara-Dürbeck virtuell verabredet, um mit ihr über Pasta und manch andere kulinarischen Besonderheiten Italiens zu unterhalten (demnächst mehr dazu). Als Vorsitzende der Frankfurter Sektion (Delegation) der Accademia Italiana della Cucina (Italienische Akademie der Kulinarik) ist sie meiner Meinung nach prädestiniert, meine Fragen zu beantworten. Accademia was …, fragst du dich vielleicht. Ich stell dir diese Institution erstmal vor, ehe es in anderen Beiträgen um Kulinarik gehen wird.
Inhaltsverzeichnis
Accademia Italiana della Cucina – Italienische Akademie der Kulinarik
Wer oder was ist die Accademia Italiana della Cucina?
In einem Satz zusammengefasst: Die Accademia Italiana della Cucina hat sich zur Aufgabe gemacht, das kulinarische Erbe Italiens zu bewahren. Bei der Liebe der Italienerinnen und Italiener zum Essen wundert es mich nicht, dass hierfür 1953 eigens eine Accademia als gemeinnütziger Verein gegründet wurde. Die Tradition der verschiedenen Regionalküchen Italiens zu bewahren, damit deren kulturelles gastronomische Erbe nicht verloren geht ist zentrales Anliegen. Denn das habe ich u. a. im Gespräch mit Laura gelernt
Es gibt nicht nur eine italienische Küche, sondern es gibt viele italienische Küchen.
Bei der Accademia geht es nicht nur ums Essen oder ums Kochen, sondern um die Esskultur als unverzichtbares Element der kulturellen Identität Italiens. 2003 wurde ihr aufgrund ihrer kulturellen Verdienste um die Kulinarik der Titel Istituzione culturale (kulturelle Institution) verliehen. Damit gehört sie zu den größten und wichtigsten italienischen Kultureinrichtungen. Vor allem für diejenigen, die nicht in Italien leben soll auch die Accademia dazu beitragen die italienische Kultur – und dazu gehört auch das Essen – lebendig zu halten und zu vermitteln.
Wie ist die Accademia Italiana della Cucina a organisiert?
Die Hauptniederlassung ist – Trommelwirbel – in Mailand. Die Accademia gliedert sich in Delegationen und Legationen, sprich in größere und kleinere regionale Vereine weltweit. In Italien gibt es etwa 222 Delegationen, im Ausland weitere 67 Ableger mit insgesamt rund 7 600 Mitgliedern. In Deutschland agiert der Verein in Berlin, München, Frankfurt, Köln und in Düsseldorf als Legation. Damit ist Deutschland Spitzenreiter der Auslandsvertretungen. 😉 Bei der Italienaffinität der Deutschen auch nicht weiter verwunderlich. Die Accademia ist die größte kulinarische Vereinigung Italiens weltweit.
Die Accademia ist kein Verein im herkömmlichen Sinne. D. h. sie ist etwas streng was das Aufnahmeverfahren angeht. Einerseits müssen Interessierte von zwei Mitgliedern der Accademia vorgeschlagen und vom Vorsitzenden in Mailand bestätigt werden. Andrerseits können – und das ist ein großer Unterschied zu Slow Food – keine Gastronomen oder Leute, die durch die Gastronomie ihr Geld verdienen (Köchinnen, Caterer, Kochschulen, Produzentinnen und Landwirte etc.) Mitglied werden.
Unsere Mitglieder sind Personen, die Interesse an der Kulinarik als Teil der kulturellen Identität Italiens haben,
so Laura. Viele Mitglieder haben auch beruflich mit Kulinarik zu tun etwa Professoren und Professorinnen, die dazu forschen aber auch Ärztinnen, Ärzte, Architektinnen und Architekten, die alle aufgrund ihres Berufs einen anderen Blick auf die Kultur des Essens haben und dadurch eine Bereicherung sind. Ein italienischer Pass ist für die Mitgliedschaft nicht nötig, Italienischkenntnisse sind allerding von Vorteil, weil die Verkehrssprache Italienisch ist.
Die Accademia ist wie eine große Familie,
schwärmt Laura.
Als sich durch Corona die Treffen ins Digitale verlegt haben, sind wir international zusammengerückt. Jeder und jede konnte an allen Veranstaltungen weltweit teilnehmen und sich kennenlernen. Das waren ganz neue Kontaktmöglichkeiten.
Wer einmal in einer Delegation Mitglied ist, kann an allen Veranstaltungen der anderen Delegationen teilnehmen.
Was macht die italienische Akademie der Kulinarik?
Die Aufgaben der Accademia sind vielseitig. Sie organisiert eine Reihe von Veranstaltungen: Seminare, Lesungen, Tagungen, Degustationen, testet italienische Restaurants und veröffentlicht Publikationen.
Jährliche Schwerpunktthemen und ein gemeinsames Abendessen
Jedes Jahr gibt es ein „tema dell’anno“, ein Jahres-/Schwerpunkthema. Wichtigster Bestandteil des Schwerpunktthemas ist ein gemeinsames Abendessen, das „cena ecumenica“, das immer am 3. Donnerstag im Oktober stattfindet. Alle Mitglieder der jeweiligen Accademia-Delegationen treffen sich an diesem Donnerstag in einem Restaurant ihrer Stadt zum Abendessen. Die jeweilige Gastronomie muss ein Menü zum Schwerpunktthema zaubern. Zusätzlich referiert an diesem Abend ein Gast zum Jahresthema.
2022 lautet das Schwerpunktthema „La tavola del contadino. Il campo, il cortile, la stalla nella cucina della tradizione regionale“ – Die Speisen des Landwirts. Das Feld, der Hof, der Stall in der traditionellen regionalen Küche“.
Publikationen der italienischen Akademie der Kulinarik
Zu jedem Schwerpunktthema wird eine Publikation veröffentlicht, die jeder und jede im Buchhandel erwerben kann. Für die Accademia-Mitglieder ist sie kostenlos. Neben dem cena ecumenica steht es jeder Delegation oder Legation frei, ob sie während des Jahres weitere Aktivitäten zum Jahresthema organisiert.
Einmal im Monat erscheint eine Zeitschrift „Civiltà della Tavola“ – das offizielle Organ –, das auch auf der italienischen Website runtergeladen werden kann. Inhaltlich werden verschiedene Themenspektren abgedeckt: Tourismus, Folklore, wie sich die Gastronomie entwickelt, Traditionen, neue Kochtechnologien, Buchrezensionen etc. Also ein bunter Mix an Themen. An italienischen Kiosken ist außerdem zweimal im Jahr eine komprimierte Zeitschrift erhältlich.
Last but not least erschien 2015 die neue Version des Kochbuchs „La tradizione a tavola. 3 000 ricette dei paesi d’Italia“. Ein Werk, das mehr als 3 000 bekannte und unbekannte Rezepte enthält. Es ist eine vielfältige Sammlung von Aromen, Geschmäckern und Düften mit zahlreichen traditionellen Gerichten, die in allen Regionen Italiens dank der Zusammenarbeit aller Delegationen der Accademia gesammelt wurden.
Da jede Region ihre eigene Küche hat, gibt es in Italien auch so viele Küchen wie es Regionen gibt. Um die Rezepte vorm Vergessen-werden zu bewahren haben die einzelnen Accademia-Delegationen sie aufgeschrieben. Es sind sehr spezifische Rezepte, die innerhalb von Familien von Generation zu Generation überliefert wurden und die man nicht in Restaurants findet.
Wenn dir jetzt das Wasser im Mund zusammenläuft, dann habe ich eine gute Nachricht: Es gibt auch eine deutsche Version des Rezeptbuches: La Cucina – Die original italienische Küche. Kleiner Wermutstropfen: Das Buch enthält leider keine Abbildungen. Du brauchst also eine gute Vorstellungsgabe und solltest etwas geübt sein im Kochen, um die entsprechenden Handgriffe auch ohne Bilder hinzubekommen.
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