[Update 21.9.2020] Sonnenschein, Stimmengewirr, Lachen, wildes Gestikulieren: Italiener*innen finden sich im Kreis von Freund*innen oder Kolleg*innen in einer Bar zusammen, Bürgersteige und Plätze werden einbezogen – es ist aperitivo-Zeit. Die Gewohnheit nach der Arbeit einen aperitivo zu sich zu nehmen ist eine der genialsten italienischen Erfindungen. Was hat es nun mit dem geliebten italienischen Ritual, dem aperitivo italiano auf sich?
Inhaltsverzeichnis
Aperitivo all’italiana
Ob auf der Terrazza Duomo 21 in Mailand oder in einer schlichten Bar, ob am Tisch oder an der Theke – in Italien ist es selbstverständlich, dass zum Aperitif Chips, Nüsse oder ein paar Oliven gereicht werden – im Preis inbegriffen. Es geht aber noch mehr, aber alles der Reihe nach.
Der Ursprung des aperitivo all’italiana
Die Tradition zwischen 18 und 21 Uhr einen aperitivo zu sich zu nehmen, geht übrigens bis ins 18. Jahrhundert zurück. Damals hat Antonio Benedetto Carpano den Wermut erfunden, der von Turin aus schon bald nach ganz Europa exportiert wurde. Wermut besteht aus Weißwein und unzähligen verschiedenen Kräutern. Er wurde der Aperitif par excellence und um 1800 nicht nur in Turin, sondern auch in Genua, Florenz, Venedig, Rom, Neapel und Mailand getrunken.
In der Mitte des 19. Jahrhunderts hat Carlo Gancia den Wermut Gancia – „Bianco Gancia“ – entwickelt. Er wurde der offizielle Wermut des Königshauses, der Aristokratie sowie des Königtums. Italien wäre nicht Italien, wenn es nicht auch einen für die Unabhängigkeitsbewegung – den „Gancia Garibaldi“ – gegeben hätte.
Aperitivo e stuzzichini
Längst ist der Aperitif in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Auch die Getränkeauswahl hat sich weiterentwickelt: Aperol Spritz, Prosecco, Wein, Cocktails aber auch Anti-Alkoholisches wie Tonic, Sanbitter oder Crodino.
In vielen Bars gibt es zum aperitivo stuzzichini – kleine Häppchen. Je nach Lokal sind sie kostenlos oder das Glas Wein kostet etwas mehr. Ich spreche hier von 5,50 Euro statt 3 Euro. Aus Frankfurter Sicht ist das immer noch unschlagbar günstig. In Mailand habe ich im vergangenen Jahr (2019) während der aperitivo-Zeit, die bis 21.30 Uhr ging, für den Aperol Spritz 10 € statt 5 € bezahlt. Dafür gab es ein sehr reichhaltiges Büffet.
Stuzzicare heißt soviel wie reinstechen oder auch anregen, in aperitivo steckt das Wörtchen aprire – öffnen. Ein aperitivo soll also nicht ein Abendessen ersetzen, sondern zum Abendessen anregen. Nur Tourist*innen laden sich die Teller voll, um sich das Abendessen zu sparen. Ein No Go. Manche Bars beugen dem vor, indem die Bedienung den Gast zum Buffet begleitet und die Häppchen auf den Teller legt.
Da ich nicht immer bis zu meinem nächsten Italien-Aufenthalt warten möchte, hab ich die aperitivo-Tradition nach Frankfurt geholt, wenn auch in abgewandelter Form und zwar bei mir zuhause. Ich liebe es italienisch zu kochen, alles hübsch anzurichten und meine Freund*innen zusammenzubringen. Alle paar Monate lade ich Freund*innen zu einem aperitivo all’italiana ein. Wir verbringen ein paar kurzweilige Stunden an einem Samstagnachmittag und danach gehen alle angeregt von Häppchen und Gesprächen ihres Weges.
Was gibt es beim aperitivo all’italiana?
Bei den Getränken halte ich es einfach: Etwas Antialkoholisches, Weißwein, Rotwein und Wasser. Da ich aktuell aus gegebenem Anlass keine Aperitifs und Häppchen anbieten kann, teste ich mich durch alkoholfreie Alternativen bei den Getränken. Fündig geworden bin ich bei den neuesten Kreationen von Martini: Martini Floreale mit Kamillenote und Martini Vibrante mit Bergamotte-Geschmack. Mein Favorit ist Floreale nur auf Eis. Sollte es also wieder möglich sein, meine aperitivo-Nachmittage zu veranstalten, dürfen sich mein Gäste auf jeden Fall auf eine der beiden Sorten freuen.
Welche Häppchen zum Aperitif servieren?
Bei der Zubereitung der stuzzichini tobe ich mich aus. Ich habe ein paar Standard-Häppchen und dann gibt es immer etwas Neues. Wäre für die Gäste ja auch langweilig, wenn sie immer dieselben Häppchen bekämen – von mir gar nicht zu reden. Ein absolutes Muss sind die frittata nach dem Rezept der „nonna“ meiner Au-pair-Familie und focaccia. Wahlweise gibt es außerdem Gemüsebällchen, gefüllte Blätterteig-Taschen, Melone-Rettich-Häppchen, Birne-Schinken-Häppchen, Polenta, Pumpernickel mit Sardinen.
Crostini mit verschiedenen Belägen sind relativ schnell zubereitet und eine feine Sache: Fenchel-Orange, Olivenpaste, Pilze aber auch Hummus mit Radicchio oder Mozzarella mit Artischocken. Irgendwann bin ich dazu übergegangen, auch noch etwas Süßes anzubieten: Etwa einen Orangenkuchen aber auch Tiliccas de saba oder Panettonini.
Einige Rezepte für aperitivo-Häppchen
Focaccia
Melone mit Rettich
Crostini mit Büffelmozzarella und Artischocken
Erfrischend-fruchtiger Orangenkuchen
Frittata alla nona Pupi
Cremig oder kross: Die norditalienische Polenta
Pumpernickel mit Sardinen
Crostini mit Erbsencreme
Brot mit Bärlauchpesto
Crostini mit Kartoffelcreme
Oft lasse ich mich von der Seite cucchiaio und einem italienischen Kochbuch inspirieren. Danke Sabine Grewe für die Frankfurter Fotos!
Pitje meint
Die Fotos machen hungrig. Sieht alles sehr verführerisch aus.
Ulrike meint
Danke Pitje. War am Ende auch alles weg.
Miriam meint
Ich hab mal gelesen, dass es der Fünf-Uhr-Tee erlaube, die Zeit bis zum Abendessen in Würde zu überstehen. Ich finde, dass passt für den aperitivo auch 🙂
Ulrike meint
Unbedingt passt das für den aperitivo. Damit kann man auch schon vor fünf Uhr beginnen. ?
Nicole meint
Interessanter Beitrag und eine wundevolle Idee!
Ulrike meint
Danke Nicole!
Alex meint
Ich habe das mit dem #Aperitivo nie richtig verstanden. Danke Ulrike für die Aufklärung und Hintergrundinfos in Deinem Blogbeitrag und das ich schon zu früher Stunde Apettit darauf habe… ?
Ulrike meint
Lieber Alex,
und dabei ist das doch so einfach. ? Ein paar Stündchen musst du allerdings noch Geduld haben, bis aperitivo-Zeit ist.
jke meint
Ohh, beim dem Bitter möchte ich sogleich Nachschub holen. Diese Länder mit so einer Kultur des Zusammenseins machen es doch wirklich richtig.
Ulrike meint
So was von richtig …